Gottvertrauen des Pfarrers von Ars im Sterben Heinrich Maria Burkard 3-2022

Der Tod war für den Pfarrer von Ars eine Brücke in den Himmel, ins Leben. Ein guter Christ braucht sich nicht zu fürchten vor dem Tod, er soll sich vorbereiten, dass er gut über diese Brücke kommt. Das war ja sein Grundthema: den Menschen den Weg zu Gott, zur Fülle des Lebens, in den Himmel zu weisen.

Ein schöner Tod, ein guter Tod, wer wünscht sich das nicht. Aber was ist ein guter Tod? Möglichst schmerzfrei, möglichst nichts merken? Für die Christen ist ein guter Tod, ein schöner Tod immer damit verbunden, dass er bewusst ist. Das eigene Leben zurück in Gottes Hände legen. Bereit zu sein, versöhnt zu sein, mit Gott und der Welt, hinüber zu gehen in die Fülle des Lebens.

Gott sei Dank habe ich Menschen kennen gelernt, denen dies vergönnt war. Ein Tod ist mir im letzten Jahr besonders nahe gegangen. Der Tod von Agathe,  99 Jahre alt. Seit ich Diakon bin, hat sie mich immer begleitet mit ihrem Gebet. Hat mir mindestens zwei Mal im Jahr ein Päckchen geschickt, mit ganz einfachen Sachen und Impulsen, die ihr wichtig waren. Bis zu ihrem Tod hat sie sich immer bedankt für den Segen. Sie ist friedlich gestorben in der Anwesenheit ihrer Tochter und sie ist bewusst gestorben. Für sie war das wichtig.  Meine Großmutter hat mir beigebracht, dass man bei jedem Ave Maria bei dem Satz „jetzt und in der Stunde des Todes“ darum bitten soll, bewusst und versöhnt sterben zu können.

Schon recht früh in den alten Litaneien wurde immer wieder darum gebetet, dass wir bewahrt bleiben vor dem ewigen Tod, vor einem plötzlichen und unvorhergesehenen Tod. Das Schlimmste, was einen Menschen ereilen kann, ist der ewige Tod. Beim hl. Franziskus ist das der zweite Tod. Der erste Tod ist eine Brücke ins Leben, so soll es sein. Aber wenn ein Mensch sich völlig vor Gott verschlossen hat, dann stirbt er den ewigen Tod. Das ist das Schlimmste, was ihm passieren kann. Der hl. Franziskus hat am Ende seines Lebens, als er seinen Tod nahen fühlte,  zu seinem Sonnengesang folgende Verse dazugeschrieben:

„Gelobt seist du, mein Herr, für jene, die verzeihen um deiner Liebe willen und Krankheit ertragen und Not. Selig, die ausharren in Frieden, denn du, Höchster, wirst sie einst krönen. Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester, den leiblichen Tod; kein lebender Mensch kann ihm entrinnen. Wehe denen, die in tödlicher Sünde sterben. Selig, die er finden wird in deinem heiligsten Willen, denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun. Lobt und preist meinen Herrn und dankt und dient ihm in großer Demut.“

Jean-Marie Baptiste Vianney war im Dritten Orden des hl. Franziskus, er kannte natürlich den Sonnengesang. Es war ihm völlig klar, die Menschen dürfen nicht den zweiten Tod erleiden, den ewigen Tod! Deshalb braucht es alles Mittel, um sie davor zu bewahren. Schon allein folgende Zitate zeigen, wie wichtig ihm dieses Thema war:

„Der Tod ist die Vereinigung der Seele mit Gott.“

„Gute Christen sterben nicht, sie gehen täglich einen Schritt weiter ins Paradies.“

„Der Hl. Augustinus sagt, dass jener Gott nicht liebt, der den Tod fürchtet. Das ist sehr wahr. Wenn ihr von eurem Vater schon lange getrennt seid, wärt ihr da nicht glücklich, ihn wiederzusehen?“

„Droben sind wir zuhause. Hier sind wir nur wie in einem Hotel, vorübergehend daheim.“

Es ist also wie der verlorene Sohn, der zurückkehrt in die Arme des Vaters. Das ist das Bild, das der Pfarrer von Ars vom Tod hat.

Dabei hatte der Pfarrer von Ars genug in seinem Leben erlebt über den schlimmen Tod, den dunklen Tod, den grässlichen Tod. Gerade jetzt in dieser aufgewühlten Zeit mit Kriegswirren, wo wir nicht wissen, wie es sich weiterentwickelt, habe ich nochmal nachgelesen, wie die Situation zu seiner Zeit war.  Als Kind hatte Jean-Marie Baptiste nichts anderes gekannt als Terror, Gewalt, zum Teil traumatische Erfahrungen von Toden. Er ist drei Jahre alt, als die französische Revolution ausbricht. 1790, als die „Zivilverfassung für die Geistlichkeit festlegt, dass die Geistlichen einen Eid auf die Verfassung leisten müssen, war nur die Hälfte von ihnen dazu bereit. 20 000 Kleriker verließen den Dienst, über 10 000 wurden zwangsverheiratet. 4000, die es nicht mehr schafften in den Untergrund abzutauchen, wurden in die Kolonie Guayana deportiert, wo sie verdursteten. Es waren schlimme Verhältnisse, Widerständische kamen durch brutalste Methoden ums Leben. Die Folgen, Chaos, die Revolution wendet sich zum Teil gegen sich selber. Es gibt Flüchtlingskinder, streunende Jungs und Mädchen aus aufgelösten Internaten. Sie alle fanden Zuflucht bei Familien, die gut katholisch blieben und es im Heimlichen weiterlebten. Dazu gehörte auch die Familie Vianney. Immer wieder fanden dort Priester, Ordensfrauen und -männer Zuflucht. Sie mussten  versteckt werden, weil sie als eidbrüchig galten und mit dem Tod bedroht waren. Heimliche Messen, das hat auf den Kleinen sicher großen Eindruck gemacht. Als Napoleon Bonaparte das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl schließt und versucht die Priester wieder zurückzuführen, die versteckt waren, brachen 1807 die Napoleonischen Kriege aus. Unendliches Leid geschah und hat schreckliche Spuren hinterlassen....

Jean-Marie Vianney hat erlebt, wie Menschen verhärtet sind, wie sie brutal schnell dem Tod ausgeliefert sein können. Aber sind sie vorbereitet? Sind sie in Frieden? Oder sind sie geleitet von diesen verrückten Ideen der Revolution, die die Vernunft als Gott bezeichnet hat und alles andere, vor allem den katholischen Glauben als verrückten Aberglauben, der auszurotten ist, hingestellt hat.

Am 13. Februar 1818 kommt er als Pfarrverweser in Ars an. Sein Generalvikar sagt ihm zuvor: „In dieser Pfarre liebt man Gott nicht mehr. Sie müssen die Gottesliebe hin tragen!“  Sein Vorgänger schreibt in einem Bericht, dass die Landbevölkerung völlig ungebildet und völlig ohne religiöses Wissen sei. Die Mehrzahl der Kinder unterscheidet sich von den Tieren nur durch die Taufe. Dasselbe gilt auch für die Erwachsenen. Sie waren von der Kirche entfremdet und besuchten sie selten oder nie.

Der Pfarrer von Ars fängt sehr früh an, für sie intensiv zu beten, er spürt seine große Sehnsucht, sie wieder zu Gott zu führen. Sie kennen ja die Geschichte, die noch heute an dem Monument zu finden ist. Wo er diesem kleinen Jungen sagt: „Du hast mir den Weg nach  Ars gewiesen und ich werde dir dafür den Weg in den Himmel zeigen.“ An seinem Tod wird sich das bewahrheiten.

Die Menschen haben gespürt, diesem Mann ist es ernst um Gott. Er glaubt an die Seele, der glaubt an etwas, was über dem Leben hinaus liegt. Durch die Kriegswirren mussten sich die Menschen sehr  abrackern, dass sie wieder Lebensmittel hatten. Sie  haben sehr stark gekämpft, dass sie sich wieder irgendwie sortiert bekommen.  Sie waren eben auch in Gefahr, das geistliche Leben zu verlieren, das ewige Leben! Überhaupt auf Gott zu vertrauen.

Als sie aus der Kirche kommen, sagen sie: „Kein Priester hat je so von Gott gesprochen, wie unser Pfarrer!“  Er bemüht sich, die Menschen, das was sie kannten, das Vater Unser und  Ave Maria, die ganz einfachen Gebete wieder bewusst sprechen zu lassen. Es gab noch religiöse Bräuche, aber die Menschen haben nicht mehr an Gott, an das ewige Leben geglaubt. Es war für den Pfarrer von Ars das Schlimmste, sie glauben nicht mehr an das, was sie beten. Er beginnt zu kämpfen, wirklich für jede Seele. Er versucht den Menschen deutlich zu machen, dass Gott sie geschaffen hat und dass er sie liebt. 

Über die göttliche Liebe sagt er:  „Unser Herr ist auf der Erde wie eine Mutter, die ihr Kind im Arm trägt. Dieses Kind ist unartig, es beißt und kratzt sie. Doch die Mutter bemerkt es gar nicht. Sie weiß, lässt sie es los, fällt es und kann nicht allein nicht gehen.“ So ist unser Gott, er erträgt unsere schlechten Handlungen, unsere Arroganz,  verzeiht uns unsere Dummheiten und hat Mitleid mit uns. Mit solchen Bildern versucht er die Menschen aufzurütteln, wie geht ihr eigentlich mit Gott um? 

Es bleibt nicht bloß bei seinen Predigten und  Katechesen. Er setzt sich auch gegen  die Folgen der Revolution und der Kriege ein. Für die Waisenkinder gründet er die Providence und stellt  zwei junge Frauen an, die ihm dabei helfen. Vor allem für die Mädchen, dass sie wieder eine Heimat und eine Zukunft bekommen. Gebet,  Kontemplation und Aktion, das gehört für ihn untrennbar zusammen. Das Entscheidende ist, das Jean Marie Vianney davon überzeugt ist, das das Wichtigste ist, den Menschen wieder zu zeigen, wie sehr Gott sie liebt, und wie er ihr Heil möchte.

Dazu müssen sie aber auch erkennen, wo sie von ihm getrennt sind, was sie hindert Gott zu finden, und ich möchte da aus dem Jakobusbrief (1,13 – 18) zitieren, der ihn sicher inspiriert hat beim Kampf um die Seelen. Da geht es nämlich auch um den Tod. Jakobus fasst hier das Drama des Menschen zusammen. Der Mensch hat Gott verloren, er ist blind geworden und er wird versucht durch seine eigene Begierde.  Im ersten Johannesbrief sind es die Wurzelsünden die Augenlust, die Fleischeslust und die Hoffart des Lebens. Die ganz tief im Menschen sitzen und Folgen der Erbsünde sind. Die ihn völlig auf sich selber zurückkrümmen. Er sieht nur, was er nicht hat. Die Begierde besetzt ihn dann völlig. Hinter der Gier des Menschen steckt die Angst zu kurz zu kommen.  „Ich muss mich selber versorgen. Wenn ich nicht nach mir schau, schaut  niemand auf mich.“ Diese Begierde treibt den Mensch immer weiter weg von Gott. Er wird von dieser Begierde in Versuchung geführt.  Er will nicht mehr in der Ordnung Gottes leben und fragen, was will Gott?

Der Mensch fragt nicht mehr, wie Gott ihm aus der Patsche hilft. Das tragische für den Pfarrer von Ars war, dass die Menschen die ganzen Hilfsmittel, die Gott zur Verfügung stellt, nicht mehr erkennen und nutzen! Es steckt der Kampf des Bösen, der den Menschen dazu verlockt, dahinter.

Im Bild aus dem Jakobusbrief wird dann die Begierde schwanger, das heißt, das Herz wird gefüllt mit Negativen, dann kommt die Sünde zur Welt. Wir erleben das, wenn Menschen ihren eigenen Trieben, ihrer eigenen Gier nachgehen, dann müssen immer andere leiden, bis in den Tod. Wenn ich selber entscheide, was Gut und Böse ist, was mir und meinen Interessen dient, auch kollektiven Interessen, nur unseren Interessen, denen unserer Gruppe oder unserem Staat, dann müssen andere bluten.

Und die Sünde, wenn sie reif geworden ist, platzt auf und sie bringt den Tod hervor.  Vor einem ewigen Tod bewahre uns, oh Herr! Jakobus schreibt aber auch, wo die Hoffnung liegt. Gott gibt uns jede gute Gabe, er gibt uns die Tugenden, er gibt uns den Hl. Geist. Jedes vollkommene Geschenk vom Vater, macht uns fähig, dass wir wieder herauskommen. Er will uns herausführen, dazu braucht es  Gebet und Umkehr. Es braucht aber auch Gemeinschaft, ich kann mich nicht alleine herausziehen. Es braucht vor allem eins, den Blick auf den Vater der Gestirne.  Ein schönes Bild, Gott hat alles geordnet. Am Anfang der Hl. Schrift  ist es  Kosmos, das heißt ja heilige Ordnung. Das Gegenstück ist das Chaos der Sünde, der Zerstörung.

Im Johannesevangelium gehört Licht und Leben untrennbar zusammen. Gott schenkt uns Licht und Leben und will es uns wieder schenken.  Gerade, wenn wir am Ende unseres Lebens sind und wenn wir durch die Pforte des Todes in sein ewiges Licht hineingehen. Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit neu geboren,  damit wir Erstlingsfrucht seiner Schöpfung sind. Es gibt also die Frucht der Sünde, die der Tod ist. Wir sind aber Erstlingsfrüchte für das Paradies.  So wie durch dieses Pflücken der Paradiesesfrucht, selber zu entscheiden, was Gut und Böse ist, der Mensch sich den Tod geholt hat, so wird er in Christus neu geschaffen, als Frucht für das ewige Leben. Für einen Menschen, der so heranreift, das war auch für den Pfarrer von Ars  ein tiefes inneres Programm,  der wird als Frucht das Paradies ernten. Welch ein Segen! So predigt er von der Liebe Gottes, er predigt vom Gebet, von der Umkehr, aber er weiß ganz genau, was die Begierden der Menschen sind, die ihn weghalten.

So gibt es von ihm diesen geistlichen Kampf, das geht zuerst los gegen die Sonntagsarbeit und das Fluchen, wo die Menschen sich ihr Gottesbild ständig entstellen. Wo ihr Leben nicht mehr unterbrochen wird, wenn es keine Sonntagsruhe mehr gibt, wenn wir uns nicht mehr erholen, wenn wir nicht mehr Gott loben und preisen, Gott einen festen Ort in unserem Leben geben. Die ganze Flucherei, die das Gebet im Grunde genommen zunichtemacht.

Das Zweite war, dass sich die Menschen am Abend in den Wirtshäusern getroffen haben, die er die „Sammelstellen des Teufels“ nennt. Schule der Hölle, wo diese ihre Lehre verbreitet. Die Stelle an der die Seelen verkauft werden, wo Familien zerstört werden, wo Streitigkeiten beginnen. In Ars  gab es vier Wirtshäuser, zwei davon  waren direkt an der Kirche.  Er hat das Geschrei ja gehört, wenn die Menschen gestritten haben, wenn sie zu viel getrunken haben. Es gab den Wein, der in Fülle ausgeschenkt wurde, damals das einzige Rauschmittel, wo die Menschen versuchten, ihre Sorgen los zu werden. Damit wird schon deutlich, dass die Menschen sich falsch von ihren Leiden befreien wollten. Der Mensch leidet, aber es ist der falsche Weg sich zu betäuben. 

Dann diese Glücksspiele, Versuche irgendwo Geld zu machen und die Kartenspiele,  immer wieder kämpft er dagegen. Am Schluss bezahlt er auch die Musiker, zahlt ihnen mehr, wenn sie nicht spielen. Denn der Tanz, der die einzige Möglichkeit der Vergnügung ist, wo sich die Leute treffen und  sich nahekommen. Er selber sagt, die Menschen, die da hingehen, lassen ihren Schutzengel vor der Tür, der Teufel nimmt bald seinen Platz ein und bald sind so viele Teufel als Tänzer im Saal. Harte Worte, er hat erlebt, wie die Menschen dort im Suff, im Rausch in der Fête,  in der Orgie sich völlig verlieren und dann eben auch zusammenkamen. Die Mädchen wurden schwanger, großes Elend zur damaligen Zeit. 

Er wettert nicht von oben herab, er hat begriffen: ich muss die Menschen im Herzen treffen, ich bin ja selber ein Sünder. Er hat ja selber furchtbar unter den Skrupeln gelitten, wie er selber vor Gott unrein ist. Er, der Gottes Liebe gar nicht entsprechen kann, soll den Auftrag, den er als Priester  hatte, die  Menschen zu Gott zu führen, erfüllen.  Er war erschrocken über diese Sendung. Er sagt, es ist schrecklich Priester zu sein.

Wie bemitleidenswert, wenn ein Priester die Messe wie eine gewöhnliche Sache einfach runterspult.  Er wusste um dieses innere geistliche Leben,  musste ringen, das nicht alles bloß Routine wird. In der Vielzahl der Pastoral sich nicht verlieren, das war ihm klar. Er war immer in der Anbetung, immer vor dem Herrn.  Die Verantwortung eine Pfarrei zu leiten, selbst so klein wie damals, er fühlte sich völlig überfordert und bis in die letzten Jahre hat er immer wieder versucht, sich von dieser Verantwortung zu befreien.  Er ist ja dreimal geflohen, um seine Sünden zu beweinen, wie er sagt, um in Ruhe sterben zu können, um selbst sein Leben in Ordnung zu bringen vor Gott.

„Mein Kind, bitte nie Gott um das völlige Wissen deines Elends. Ich habe danach gefragt und habe  Antwort bekommen. Wenn mir Gott nicht geholfen hätte, wäre ich sofort in die größte Verzweiflung gefallen!“ Das zeigt, er hat Gott gebeten, ihm ehrlich seinen Zustand zu zeigen. Das muss für ihn schrecklich gewesen sein, eine  Art Höllenvision. Wie schlimm es ist, wenn die Seele sich abgelöst hat von Gott, wozu sie fähig ist. Und wie sie krank werden kann.  Für mich ist es wie, wenn jemand heute einen neuen Virenstamm entdeckt und genau weiß, wie gefährlich er für die Menschheit ist, wenn er losbricht. Er wird alles tun, damit das nicht passiert. So ähnlich stelle ich mir das vor, was  Jean Marie Baptiste bewegt hat, alles Mögliche zu tun, dass die Menschen eben nicht von diesem Gift der Sünde, der Gottferne, von diesem Virus der Seelenzersetzung von Gott getrennt werden.

Sein Kampf gilt wirklich jeder Seele. Es gibt sehr schöne Geschichten, die das deutlich machen.  Im Jahr 1856, so Monnin – waren wir Zeugen der plötzlichen Bekehrung eines 80jährigen Greises. Der Mann war in der Tat sehr gottlos und wusste von nichts, als Gotteslästerungen auszustoßen. Die Namen Gottes und des Pfarrers brachten ihn förmlich in Wut. Vianney nannte er einen alten Hexenmeister, einen alten Heuchler. Der gute Pfarrer, der über ihn belehrt worden war, besuchte ihn in seinem Gasthaus, denn ihn zur Kirche zu bringen, wäre unmöglich gewesen. Er ging auf sein Zimmer, warf sich bitterlich weinend ihm zu Füßen, und sagte: „Retten Sie doch ihre arme Seele!“ Der Greis war bekehrt. Er begann zu weinen und betete in einem fort das Vater Unser und das Ave Maria. So lange er in Ars war, setzte er das fast Tag und Nacht fort. Morgens und abends kam Vianney seine Beichte zu hören. Eine gute und andächtige Kommunion besiegelte die Bekehrung dieses Arbeiters der elften Stunde! (Joh. Janssen, der ehrwürdige Pfarrer von Ars, S. 50-51)

Er selbst hatte Angst vor dem Tod bei seiner schrecklichen Krankheit 1853, wie Monnin erzählt  (Leben des im Jahre 1859 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen  Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney, 1863, 1.Bd., S.372): „Das Charakteristische dieser ersten Krankheit Vianney´s, das sich bei seiner zweiten nicht fand, war seine Furcht vor dem göttlichen Gerichte und vor dem Tod. „Nein! Nein!“ rief er aus, „nein, mein Gott! Noch nicht! Noch nicht!... Ich will nicht sterben! Ich bin nicht bereit, vor deinem furchtbaren Richterstuhl zu erscheinen...“  Und was sich seinem Schreckensrufe anschloss, war eine Menge Dämonen, die er um sich mit schrecklicher Stimme wiederholen hörte: „Wir behalten ihn! Wir behalten ihn!“ So hat es der Pfarrer von Ars später selbst erzählt.“

Immer wieder erleidet Jean Baptiste dieses Teuflische, das den Menschen in den Abgrund stürzt. Verzweiflung, diese Attacken, drei Jahre vor seinem Tod waren die schlimmsten, dass er in die ewige Verdammnis  geführt werde, wohl nicht mehr so gravierend oder vorbei. Er hat im Grunde genommen das gespürt, was die Menschen nicht gespürt haben, stellvertretend für diese abgestumpften Seelen. Im Widerspiegeln, in diesem Mitleiden, erkennen die Menschen, wenn der schon an meinen Sünden so leidet, was ist da eigentlich los. Er tut die Buße, weil die Menschen keine Buße tun.

Ein  wichtiger Punkt ist auch, dass die Menschen versuchen einen großen Bogen um die Leiden zu machen. In seinen Katechesen spricht er über die Leiden (Katechese über das Leiden Monnin, Esprit, XXI). „Ob man will, oder nicht, man muss leiden. Es gibt welche, die leiden wie der gute Schächer, es gibt andere, die leiden wie der schlechte Schächer. Beide leiden am Ende ihres zerstörten Lebens das Gleiche.  Doch der eine verstand es, seine Leiden verdienstlich zu machen; er nahm diese an im Geist der Wiedergutmachung und indem er sich an die Seite des gekreuzigten Jesus wandte, empfing er diese schönen Worte: “ Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Der andere dagegen heulte auf, schrie Flüche und Gotteslästerungen aus und starb in schrecklicher Verzweiflung.

Es gibt zwei Arten zu leiden: „Leiden, indem man liebt und Leiden, ohne zu lieben. Die Heiligen litten alle mit Geduld, Freude und Durchhaltevermögen, weil sie liebten. Würden wir Gott wahrhaftig lieben, dann würden wir auch das Kreuz lieben, dann würden wir uns danach sehnen und darin gefallen... dann wären wir glücklich, dass auch wir aus Liebe zu dem leiden können, der so sehr für uns gelitten hat! Oh, die armen Ungläubigen, sie haben das gleiche Kreuz, aber nicht die gleichen Tröstungen. Vianney übernahm stellvertretend Arbeiten und Abtötungen, die mehrere Menschenleben abgenutzt hätten. Gott alles übergeben, in liebender Stellvertretung, dass diese Leiden verdienstlich und fruchtbar sind.

Von Anfang machte ihm der starke Nebel von Ars schwer zu schaffen. Das einheimische Fieber, wie es aus der Feuchtigkeit dieser Gegend entspringt, hatte ihn mehrmals heimgesucht. Oft hatte er  Unterleibsbeschwerden und Kopfschmerzen. Seit der Zeit war er nie wieder ganz hergestellt. Kein Wunder, dass er seinen Leib als „Kadaver“ bezeichnete.

Im September 1843 erkrankte er schwer. Die Gräfin des Garets – Ehefrau des Bürgermeisters Prospers des Garets, sein treuer Begleiter bis zum Totenbett, schreibt über die neue schwere Erkrankung des Pfarrers, bei der er wohl dem Tod ziemlich nahe kam: „Er hat mir erlaubt, mich diesem Lager der Schmerzen und der Glorie zu nahen. Ich habe einen Heiligen auf dem Kreuze gesehen, mit aller Himmelsruhe auf seinem leidenden Antlitz. Er sagte mir, er würde anfangen, sich auf den Tod vorzubereiten. Der Arzt hält seine Krankheit für sehr gefährlich. Wir fürchten und fürchten sehr. Wie wir den Himmel bestürmen, ihn uns zu lassen...“ Das Gebet wurde erhört!

16 Jahre später sitzt der Bürgermeister von Ars wieder an seinem Bett. „Herr Pfarrer hoffen wir, dass die Hl. Philomena sie auch diesmal wieder, wie vor 16 Jahren, gesund mache. Wir wollen sie aus Kräften anrufen.“ Seine Antwort lautete diesmal: „O, die hl. Philomena vermag da nichts!“ Die Pfarrei und die vielen Pilger sind bestürzt.

Ein kleines Mädchen kommt zwei Tage vor seinem Tod in die Krankenstube. Sie teilte dem armen Pfarrer mit, dass ihr Großvater im Sterben liege und um den Segen bitte. „Wer ist dein Großvater, Kind?“, fragte Vianney. „Antoine Givre heißt er! Er erzählte immer, er hätte Ihnen den Weg nach Ars gezeigt und Sie hätten gesagt, Sie würden ihm dafür den Weg zum Himmel zeigen.“ „Ja, ich weiß! Sag deinem Großvater, morgen bringe ich ihn vor das Himmelstor!“

Am Dienstagabend bat er um die heiligen Sakramente. Als er die Versehglocke, die bei der Überbringung der Wegzehr geläutet wurde, als Zeichen hörte: der Herr, den er so oft angebetet hatte, kommt  jetzt zu seinem letzten Besuch, entquollen seinen Augen schweigsame Tränen.

Einige Stunden später flossen neue Tränen; es waren die letzten, die Tränen der Freude, sie fielen auf das Kreuz des Bischofs. Msgr. de Langalerie war auf die Nachricht von der sehr ernsten Lage seines treuen Pfarrers sofort herbeigeeilt. Außer Atem und mit lauter Stimme betend durchschritt er die kniende Menge, die ihm den Weg versperrte. Es war hohe Zeit. In derselben Nacht, den 4. August 1859, morgens um zwei Uhr, entschlief ohne allen Todeskampf seinem Herrn ruhig und gottselig, Jean Marie Baptiste Vianney, der gefeierte Pfarrer von Ars, während der Priester die Worte aussprach: „Mögen ihm entgegenkommen die heiligen Engel und ihn führen in die heilige Stadt Jerusalem!“

Jeden Abend betet die Kirche in der Komplet das Gebet des greisen Simeon: „Nun lässt Du Herr Deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das HEIL gesehen, das  DU vor allen Völkern bereitet hast: Ein LICHT, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für Dein Volk Israel!“

Und so sind wir eingeladen, vielleicht gerade abends in der Komplet in besonderer Weise, nachdem wir das Gewissen erforscht haben, immer wieder umzukehren und zu bitten, dass Gott selbst uns diesen schönen Tod schenke, der die Vereinigung mit ihm ist. Dass er uns die Angst nehme und dass er unsere Leiden wandle, dass wir sie verdienstlich machen, wenn wir sie Gott hinhalten zum Heil der Menschen. Dass wir  uns selbst auch immer mehr formbar machen von Gott, ohne dass wir selbst gesuchte Leiden hätten

12.03.2022 Protokoll Elisabeth Johann