„Jedes Mal, wenn ich mich über die „Providence“ beunruhigte, hat mich der liebe Gott dafür bestraft, in dem er mir ganz unerwartete Hilfe schickte.“ (Bernhard Nodet: Jean Marie Vianney, Pfarrer von Ars, 1959, S. 75)
So wollen wir auf den Hl. Pfarrer von Ars schauen, es geht um sein Gottvertrauen. Der Hl. Pfarrer von Ars hat am 9. Februar 1818 seine Pfarrstelle angetreten. Da war es ein Ort, der keine Schulen und keine Lehrkräfte hatte. Im Winter ließ man jeweils einen Lehrer kommen, der Mädchen und Buben unterrichtete. Gemeinsam - das missfiel dem Pfarrer sehr. So entstand in ihm bald der Gedanke, er möchte zunächst eine Mädchenschule gründen. Die Buben sollten warten auf später. In den Jahren 1820 - 1825 sammelte er die diesbezüglich notwendigen Gelder. In Ars fand er auch zwei junge, fromme Frauen Catharine Lassagne und Benedikta Lardet, die er bei den Josefsschwestern in Fareins ausbilden ließ. Die Kosten trug er selber.
Katharina sollte 25 Jahre an der Spitze der neuen Gründung bleiben, Benedikta starb bereits im Jahre 1830.
1823 konnte er in der Nähe der Kirche ein neues Haus erwerben. Für den Ankauf opferte er sein ganzes persönliches Vermögen. Für die Schreibereien beim Notar blieb kein Geld mehr übrig. 1826 kam noch ein 28jähriges Mädchen dazu, Johanna Marie Chanay. Er hatte sie durch seine Beichtzusprüche von einem gewissen Hang zur Weltlichkeit befreit. Sämtlichen Personen, die der Pfarrer für seine Gründung einstellte, gilt das Lob, dass sie völlig selbstlos waren. Sie erhielten keinen anderen Sold als Unterhalt und Nahrung. Catharine und Benedikta haben die Schule auf den Martinstag 1824 eingerichtet. Alles war äußerst arm. Obwohl ihnen der Pfarrer Essen und Unterkunft zugesichert hatte, fand sich nichts im Haus. Sie blieben und vertrauten darauf, dass man ihnen schon etwas bringen würde. Und siehe da, es kamen zwei Mütter und brachten ihnen zu essen. So hat die Providence – Vorsehung vom ersten Augenblick ihren weltberühmten Namen verdient.
Da die Schule völlig unentgeltlich war, kamen Mädchen aus den Nachbargemeinden, so kam es zur Gründung eines Pensionats. Von Geld, das sie zahlen sollten, wollte der Pfarrer von Ars nichts wissen. Die Eltern mussten nur Betten, Leinen und wenn möglich auch etwas Nahrung mitbringen. Dieses Haus sollte keinen anderen Versorger haben als den Vater, der im Himmel wohnt. Jean Marie fürchtete immer wieder, er könnte Gott durch ein solches Unterfangen versuchen. So bat er seine Pfarrangehörigen eine Novene zur lieben Gottesmutter zu beten, dass er auch wirklich immer den Willen Gottes erkennt und tut.
Es kamen noch Waisenkinder, verwahrloste Kinder dazu. Zunächst zwei bis drei, aber die Zahl vermehrte sich zusehends. Manche brachte der Pfarrer einfach von der Straße mit. Öfters war es für ihn beklemmend, wenn die Kasse leer war und die Not sich bemerkbar machte. Aber er sagte immer wieder, ich besitze den Zauberstab der Vorsehung!
Zum 8. Sonntag im Jahreskreis heißt es im Tagesgebet: „Allmächtiger Gott deine Vorsehung bestimmt den Lauf der Dinge und das Schicksal der Menschen. Lenke die Welt in den Bahnen deiner Ordnung, damit die Kirche in Frieden deinen Auftrag erfüllen kann.“ Wir stoßen hier auf einen Problemkreis, auf den der moderne Mensch fast ein wenig allergisch reagiert, wenn es heißt die göttliche Vorsehung bestimmt den Lauf der Dinge und das Schicksal der Menschen. Heute sind es vor allem moderne Philosophen, die sich am Verhältnis menschlichen Wirkens und göttlicher Vorsehung reiben und sich gegen Gott zu Gunsten menschlicher Freiheit entscheiden. Einer der bedeutendsten Vertreter ist Jean Paul Sartre, der ganz klar formuliert, wenn Gott existiert, kann der Mensch nicht frei sein. Um die Freiheit des Menschen zu retten, darf es Gott nicht geben, das heißt, der moderne Mensch will eine sturmfreie Bude haben, er will sich nicht mehr verantwortlich fühlen.
Dann kommen auch noch wissenschaftliche Sichtweisen dazu, ich nenne nur Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie, die die Entwicklung vom Mensch ohne Gott und damit auch ohne Verantwortung Gott gegenüber entwickelt. Sind da,s was wir Tag für Tag erleben nur Zufälle? Oder sind es Fügungen, hinter denen ein liebender Gott steht? Schon unser deutsches Wort Zu-fall ist ja sehr verräterisch. Es meint ja, dass mir ohne Zutun, ohne Verdienst etwas zufällt, also mir gratis geschenkt wird. Viele erklären alles für Zufall, aber nicht in dem Sinn, wie ich es grade umrissen habe, sondern einfach als wahllose Laune der Natur. Zufall, weil sie anderenfalls die Existenz Gottes anerkennen müssten und dann nicht mehr autonom über ihr Leben verfügen können.
Was aber wollen wir? Wollen wir unser Leben selbstherrlich gestalten? Das ist die Ursünde vom Paradies. Gott ist mir fremd, er will nicht, dass mein Leben gelingt in den Sinn, wie ich es will. Er lässt mich nicht zu den Paradiesbäumen, zum Baum von Gut und Böse und zum Baum des Lebens. All das will ich mir aber nicht schenken lassen, ich will es selber haben. Es mir selber aneignen! Hinter all dem hören wir immer noch das Flüstern der Schlange. Das ist unser Problem bis heute. Wir stoßen immer wieder auf diese Grundgedanken. Es darf keine Wunder geben, denn dann müssten wir uns dankbar erweisen. Und da schauen wir auf die Großen unserer Kirche, die wir die Heiligen nennen, die sich in besonderer Weise Gott ausgeliefert und von ihm haben formen lassen. Sie haben das Wort der Schrift aus der Bergpredigt ernst genommen: sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch dazugegeben, ja hinterher geworfen werden, wie es im griechischen Originaltext heißt. Gleichsam weit weniger wert, als dass Reich Gottes.
Die Welt ändert sich, wenn sich jemand die Anliegen Gottes zu eigen macht, in geradezu explosiver Weise. Die Trennwand zwischen diesseits und jenseits wird durchlässig und so geschehen im Umkreis der Heiligen viele Dinge, die der Mensch nicht mehr einordnen kann. Die Kirche nennt dies Wunder. Der große Theologe Romano Guardini sagt dazu, diese Geschichten sind unbedingt ernst und wahr. Und so sind auch viele Dinge im Leben des Hl. Pfarrers geschehen, außergewöhnliche Erkenntnisse, außergewöhnliche Dinge, wo Gott gleichsam sein Vertrauen belohnt. Wie die Naturgesetze außer Kraft treten.
Aber es brauchte schon wundersames Glauben und Sinnen, um die Providence über Wasser zu halten und auszubauen. Er hatte eine große Last auf sich genommen. Das Haus, das eigentlich für höchstens 30 Kinder gedacht war, beherbergte oft 60 Kinder und mehr. Diese galt es zu lehren, zu kleiden, und zu nähren. Mehrere Male ging den Waisen das Notwendige ab. In solchen Stunden durchkosteten die Leiterinnen, die über weniger Vertrauen verfügten, grausame Seelennot. Der Diener Gottes tadelt sie dann streng ob ihres mangelnden Glaubens. Unablässig betete er in der Kirche, in der Einsamkeit des Pfarrhauses, auf den Wegstrecken unterwegs, die er zurücklegte, wenn die Antwort vom Himmel ausblieb, schrie er seinen guten Heiligen die Ohren voll, wie er selbst sagte .
Wie steht es da bei uns? Lassen wir den Heiligen ihren himmlischen Frieden, den sie gar nicht wollen? Oder verschaffen wir ihnen Arbeit? Denken wir an Aussagen wie: erst im Himmel werde ich wirklich helfen können oder mein Himmel wird darin bestehen Gutes auf Erden zu tun. Der Pfarrer von Ars hat darum gewusst, dass uns eine ganze Wolke von Heiligen umgibt, wie es im Hebräerbrief heißt und ihnen ist es nicht egal, wie wir auf Erden leben! Ob wir aus Gott leben, ob wir an ihrem Leben Anteil nehmen, in dem wir sie uns als Vorbild nehmen.
Aber schauen wir auf ein Ereignis, das ihn kurz an der Göttlichen Vorsehung hat zweifeln lassen und wie dann diese Strafe sozusagen aussah. Eine Lektion, die ihm Gott erteilt hat. Der Getreidevorrat im Speicher des Pfarrhauses war aufgebraucht bis auf einige Handvoll Körner, die über den Boden zerstreut lagen. Von Seiten der Pfarrkinder war nichts zu erhoffen, die Ernte war schlecht ausgefallen. Vianney war sogar bereit einige Waisenkinder zu entlassen. Es war für ihn ein furchtbarer Gedanke, denn innig hing er an diesen Kleinen. Arme Kinder, so werden sie zurückgeworfen in ihr Elend, in die alten Gefahren für Seele und Leib.
Von den Menschen verlassen wagte er das Äußerste, durch die Fürbitte des Hl. Franz Regis, der ihm bereits auffallenderweise während seines Studiums erhört hatte. Er fegte die letzten Weizenkörner zu einem Häuflein zusammen verbarg darin die Reliquie des Heiligen und legte seinen Kindern innig ans Herz, mit ihm das tägliche Brot von Gott zu erflehen. Dann ging er selber ins Gebet und harrte zuversichtlich auf das Kommende. Nach einiger Zeit beauftragte er Johanna auf dem Speicher den Getreiderest zusammen zu räumen. Droben - welch eine Überraschung - lässt sich die Speichertür kaum öffnen, und durch den Spalt rauscht bereits ein Getreidestrom. Jean Marie Vianney, der wie wenige den Kampf Satans gegen den Menschen handgreiflich erfahren musste, hatte auch ein sehr tiefes Gespür, welchen Hass der Widersacher gegen jeden Menschen, besonders gegen diejenigen, die in der Taufe Kinder Gottes geworden waren, entfacht. Sein großer Hass versucht auf alle mögliche Weise die Ebenbildlichkeit des Menschen zu zerstören. In der Regel durch die alltäglichen Sorgen, Vergnügungen und Versuchungen. „Die tiefste Sünde, die der Antichrist begeht, ist die Begrenzung des Lebens auf das irdische, die Einengung des Glückes auf sinnenhafte, körperliche Wohlfahrt und die Fesselung des Geistes auf die Belange der Zeit.“ (Reinhard Raffalt).
Genau hier richtet sich der Pfarrer von Ars an seine Kinder, um sie auf das Göttliche hinzuweisen. Die Providence war seine Lieblingsstiftung, denn er liebte diese jungen Menschen von ganzem Herzen, die er auf den Pfad der Tugend führen durfte. Seine größte Sorge war nicht die Bildung, sondern die christliche Erziehung. Wenn wir sagen Herzensbildung, würde er sagen, ja. Diese Gründung der Vorsehung wuchs sich zu einem immer größeren Segen aus. Des Öfteren sagt Catharine habe sie den Herr Pfarrer sagen hören, man werde erst am Tag des letzten Gerichts sehen, wie viel Gutes in diesem Haus geschehen ist. Tatsächlich rettete der Heilige mit seinem Werk die Tugend vieler hundert Kinder, die hier im Heim lernten ihr Brot ehrlich zu verdienen. Wenn auch einzelne nicht standgehalten haben, eine Großzahl hat sich Vianneys Ratschläge wundersam zu eigen gemacht. Sie sind gute Familienmütter und gute Dienstboten geworden und mehrere haben sogar den Ordensberuf gewählt. Diese jungen Mädchen, die der Pfarrer von Ars wie aus einer anderen Welt heraus geleitet hatte, ließ er an seinen Sorgen und Kasteiungen für die Sünder teilnehmen. Wollte er irgendeine besondere Gnade erhalten, dann ließ er die Mädchen seiner Providence beten. Er sagte, in all diesen Fällen wurde er immer erhört. Er hatte erfahren, dass die Gebete der Kinder den Himmel bestürmen und im Grunde eine ganz andere Kraft haben wenn diese unschuldsduftend vor Gott erscheinen.
Im Schulsaal der Vorsehung nahmen auch die berühmten Katechismus-Stunden von Ars ihren Anfang. Es waren unscheinbare Anfänge. Der Pfarrer von Ars hat die Buben des Dorfes von Allerheiligen bis zur Zeit der Ersten Heiligen Kommunion schon um 6 Uhr morgens in der Kirche versammelt und ihnen den Katechismus erklärt. Die Schülerinnen der Providence führte er eigens in die Glaubenswahrheiten ein, länger und jeden Tag des Jahres, um sie inniger mit christlichem Leben zu durchdringen.
Hier ist wiederum eine große Weisheit des heiligen Pfarrers zu erkennen. Deshalb hat er sich besonders für die Heranbildung der Mädchen stark gemacht. So war es für ihn etwas Wichtiges, den künftigen Ehefrauen und Müttern eine tiefe Liebe ins Herz zu pflanzen, eine tiefe Liebe zu Christus. Mit Billigung des Bischofs war der Bau einer Kapelle für die Providence erlaubt worden. Der Pfarrer von Ars plante, eine Stätte der ewigen Anbetung zu schaffen, aber nur, wenn es Gottes Wille sei. Er würde sich dann oft zu Zeiten des Gebetes zurückziehen, um mit und für den Herrn zu sein.
Die Gemeinde schenkte das nötige Gelände, aber noch immer war die Kapelle nicht richtig fertiggestellt, da war Gottes Vorsehung eine andere. Die Providence hörte auf zu bestehen, unter der Form, unter der sie Vianney selber gegründet hatte. Das war für ihn auch eine gewisse Bitternis. Ich möchte mit einem Gedanken zur Ewigen Anbetung schließen: „Brot ist wichtig, die Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.“ (Alfred Delp)
So bitten wir, dass auch wir betende, anbetende Menschen werden. Das heißt den Willen Gottes zu tun, nach dem Willen Gottes zu fragen und auch darum beten, dass wir den Willen Gottes erfüllen. Das ist die eigentliche Anbetung, die Gott von uns allen will. Möge der Hl. Pfarrer von Ars, der immer wieder um den Willen Gottes gerungen und gebetet hat, uns hier ein großer und mächtiger Helfer sein. Möge Gott auch uns immer wieder diese Lektion erteilen, dass er uns sozusagen „bestraft“, damit wir erkennen, wie sehr er als guter Vater immer unser Bestes will. Gelobt und gepriesen sei dieser große, heilige Gott, gerade auch durch seinen Diener Jean Marie Vianney
Protokoll Elisabeth Johann 9.03.2022