In den derzeit ungewöhnlichen Zeiten lohnt es sich auf ungewöhnliche Menschen zu schauen, um zu sehen, wie sie mit Krisen umgegangen sind. Der heilige Pfarrer von Ars ist ein herausragendes Beispiel, um Hoffnung zu schenken –auch in scheinbar aussichtslosen Situationen.
1. Jugend in den Wirren der Französischen Revolution
Geboren am 8. Mai 1786, drei Jahre vor dem Ausbruch der französischen Revolution 1789, wächst Jean-Marie Vianney in einer Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Wirren im elterlichen Bauernhof in Dardilly auf.
Viele Missernten, Hungersnöte und steigende Lebensmittelpreise haben in Frankreich zu einer Explosion der Volkswut geführt.
Am 14. Juli 1789 wurde in Paris durch den Sturm auf die Bastille die Revolution ausgelöst.
Eine Religion der Vernunft wurde angekündigt mit der Verheißung von Freiheit und Gleichheit für alle Stände. Auf dem Altar von Notre-Dame in Paris wurde eine Schauspielerin als Göttin der Vernunft gestellt.
Der Kampf richtete sich gegen Geistlichkeit und Adel. Stattdessen sollten nur noch die selbst verordneten Menschenrechte gelten.
Am 12.Juli 1790 wurden die „Zivilkonstitutionen für den Klerus“ beschlossen. Jeder Priester musste auf die neue Verfassung der Republik einen Eid ablegen.
Alle Priester, die das ablehnten, wurden brutal verfolgt, vor Ort von der Gemeinde ermordet, zur „ trockenen Guillotine“ nach Guyana deportiert, wo man sie verdursten ließ, in der Loire ertränkt, in Massenerschießungen oder unter der Guillotine ermordet.
Jean-Marie Vianney suchte mit seinen tief religiösen Eltern unter Todesgefahr nachts die heiligen Messen der treu gebliebenen Priester an verborgenen Orten auf.
In seinem Heimatdorf Dardilly - nur 8 Kilometer von Lyon entfernt - hörte der kleine Jean-Marie ständig den Rhythmus der Guillotine, während er mit seinen Kameraden beim Weiden der Tiere Prozessionen veranstaltete und religiöse Lieder sang.
Erst mit 11 Jahren konnte Jean-Marie seine erste Beichte bei Abbé Groboz, einem treu gebliebenen Priester, in seinem Elternhaus ablegen. Von Gottes Barmherzigkeit war er überwältigt. „Ich erinnere mich immer noch daran… Es war daheim unter unserer Uhr.“° Damals äußerte er zum ersten Mal den Wunsch, Priester zu werden.
Mit 13 Jahren empfing er in größter Verborgenheit seine erste heilige Kommunion. „Ich bin dabei gewesen“, erzählte Margarete Vianney, „mein Bruder war so glücklich, dass er das Zimmer, wo ihm das Glück der heiligen Kommunion zum ersten Mal zuteil geworden war, gar nicht mehr verlassen wollte.““²
Erst 1801 schloss Napoleon ein Konkordat mit dem Papst ab, durch das ein kirchliches Leben unter bestimmten Auflagen in Frankreich wieder möglich war.
2. Weg zum Priestertum
Das Bildungssystem, das in kirchlichen Händen lag, war zerstört, ein neues noch nicht aufgebaut. Nur sehr mangelhaft war daher die Ausbildung in seiner Kindheit, die sein ganzes Leben lang nicht mehr völlig ausgeglichen werden konnte, sodass sein Wunsch, viele Seelen zu retten, falls er Priester wäre, nur schwer zu verwirklichen war. Der Weg zum Priestertum wurde zu einer Zeit voller Enttäuschung, Qual, Frust und Depression.
Nachdem der große Widerstand von Seiten des Vaters, der ihn als Mitarbeiter auf dem Hof dringend gebraucht hätte, überwunden werden konnte, durfte Jean-Marie 1806 mit einer Ausbildung bei Abbé Balley in Ecully beginnen, der schnell die tiefe religiöse Ausrichtung seines Schülers erkannte und ihn auf jegliche Weise unterstützte.
„Seien Sie unbekümmert, für Sie werde ich mich opfern, wenn es sein muss.“°³ Das war die Grundhaltung Balleys.
Aus dem Priesterseminar in Lyon wurde er nach einigen Monaten wegen Unfähigkeit entlassen. Noch 50 Jahre später hat einer seiner damaligen Mitschüler berichtet: „Die Erinnerung an seine Demut und an die Verständigkeit der Worte, die ich damals mit ihm wechselte, ist tief in meiner Seele eingegraben geblieben.“ °4
Innerlich bekommt Jean-Marie den Zuspruch: „…ich hörte die Worte, wie wenn sie mir ins Ohr gesprochen wären: Geh, sei ruhig, du wirst eines Tages Priester werden.“ °5
Den Ausweg fand Abbé Balley, der ihn statt in lateinischer Sprache, die Jean-Marie einfach nicht lernen konnte, auf Französisch unterrichtete.
Auf die entscheidenden Fragen des Generalvikars Courbon: „Ist Vianney fromm?... Verehrt er die liebe Gottesmutter?... Kann er seinen Rosenkranz beten?“ konnte Balley nur antworten: „Ja, er ist ein Muster an Frömmigkeit.“°6
So war der Weg frei zum Priestertum Er war 29 Jahre alt.
Nach der Weihe zum Diakon in Lyon am 23. Juni 1815 konnte er am 13.August 1815 in Grenoble zum Priester geweiht werden. Er wurde als Kaplan zu Abbé Balley nach Ecully berufen.
3. Pfarrer von Ars
Durch Pfarrer Balley wurde Vianney nicht nur weiter in theologische Kenntnisse eingeführt, sondern noch viel mehr in eine heiligmäßige, asketische Lebensweise als Priester. Später gestand Vianney, dass er das Freisein von Versuchungen gegen die Keuschheit durch ein Gelübde erreicht habe. Er hatte sich verpflichtet, täglich einmal das „Regina coeli“ zu beten und sechsmal folgendes Gebet zu verrichten:
„Gepriesen sei die heiligste und unbefleckte Empfängnis der allerseligsten Jungfrau und Mutter Gottes Maria. In Ewigkeit. Amen. „ °7
Anfang Februar 1818 wurde Vianney das Dorf Ars anvertraut mit den Worten des Generalvikars Courbon: „Es ist nicht viel Gottesliebe in dieser Pfarrei vorhanden; die werden Sie hineintragen.“°8
Nur mit Mühe konnte Vianney bei dichtem Nebel seine neue Pfarrei finden und musste daher den kleinen Hirtenjungen Anton Givre nach dem Weg fragen.
„Mein kleiner Freund, du hast mir den Weg nach Ars gezeigt; ich werde dir den Weg zum Himmel zeigen.“ °9
41 Jahre lang hat der Pfarrer von Ars alles eingesetzt, um dieses Versprechen für alle, die zu ihm kamen, zu erfüllen.
„Mein Gott, gewähre mir doch die Bekehrung meiner Pfarrei. Ich bin bereit, alles, was du über mich verhängen willst, bis zum Ende meines Lebens zu dulden… Ja, hundert Jahre lang die wildesten Schmerzen, wenn sie nur zu dir zurückfinden!“°10
Bei anfangs leerer Kirche betete er stundenlang das Allerheiligste an, besuchte die Kranken und die Familien, unterhielt sich mit ihnen über die Landwirtschaft, von der er viel verstand und lenkte die Gespräche weiter auf religiöse Themen. Er führte ein Leben in strengem Fasten und Buße mit Geißelungen, was er jedoch nicht von anderen erwartete.
Durch die Lektüre der Schriften des heiligen Alfons von Liguori fand Jean-Marie Vianney den Weg der Barmherzigkeit Gottes.
„Die Barmherzigkeit Gottes ist wie ein aus den Ufern getretener Strom; sie reißt die Herzen auf ihrem Weg mit.“°11
Gleichzeitig mit seinem priesterlichen Aufgaben widmete er sich auch der Instandsetzung und der ständigen Verschönerung Kirche, der Hilfe für die Armen, die ihm besonders am Herzen lagen. Er gab ihnen alles, was er besaß, sodass zuletzt kaum etwas für ihn selbst übrigblieb.
Er kämpfte gegen die Sonntagsarbeit, die Schenken, in denen durch Alkoholismus und sexuelle Verfehlungen viel gesündigt wurde, und das Fluchen. 1824 eröffnete er das Haus der Vorsehung „La Providence“ als kostenfreie Schule für Mädchen, später als Waisenhaus.
Er ging davon aus, dass gut ausgebildete, christlich erzogene Mädchen später gute Ehefrauen und Mütter werden und den Glauben weitergeben können.
Durch regelmäßige Katechesen vertiefte er den Glauben der Mädchen. Immer mehr Gläubige nahmen daran teil, so dass er erfolgreich die religiöse Unwissenheit besiegen konnte.
Bei all diesen Unternehmungen hatte er mit starkem Widerspruch und Angriffen zu kämpfen. Er musste niederträchtige Verleumdungen, die zu Beginn seiner Amtszeit an die Kirchentür von angeschlagen wurden, hinnehmen. „Es war das einzige, das mir weh getan hat“°12, äußerte er sich dazu.
1823 schrieb er sich in einem Brief: „Ich lebe in einer kleinen Pfarrei voll Glaubensleben, die dem lieben Gott von ganzem Herzen dient.“°13
„Ars ist nicht mehr Ars! Ich habe Beichte gehört und gepredigt bei Jubiläen und Missionen. Wie hier habe ich aber noch nichts erlebt.“°14 Das stellte der Pfarrer von Ars 1827 fest.
Hätte er nicht stolz werden können?
„Ach, mein Kind,… fragen Sie lieber, wie ich der Versuchung zu Furcht, Entmutigung und Verzweiflung widerstehe? Gnade ist‘s, – hier wie dort –die gegeben wird nur nach dem Maße des Vertrauens, womit man um Mut bittet, denn Demut ist der Mut, von Gott in Abhängigkeit sich zu erhalten.“°15
Der Pfarrer von Ars hat sich selbst als der unfähigste und ärmste angesehen, der keinerlei Begabungen und Fähigkeiten besitzt und damit allein von Gott abhängig ist. Diese seine Selbsteinschätzung hat leider auch dazu geführt, dass man den Pfarrer von Ars als geistig nicht sehr hell eingestuft hat. Hiermit geschieht ihm aber ein ungeheures Unrecht. Seine Bibliothek im Pfarrhaus umfasste 400 Bände, was zur damaligen Zeit für einen Landpfarrer außergewöhnlich war. Jeden Abend hat er in diesen Büchern trotz aller sonstigen Belastungen gelesen und sich weiter fortgebildet. Aus seinen Predigten ist ersichtlich, dass er insbesondere die Lehren der Kirchenväter sehr gut gekannt hat.
Ab 1853 wird der heilige Pfarrer zunehmend von Pilgern aus ganz Europa aufgesucht. Er wurde zu einem Märtyrer des Beichtstuhls, wie ihn Papst Johannes Paul II nannte. 1958 wurden in Ars 100.000 Pilger gezählt. Der Pfarrer verbrachte bis zu 17 Stunden täglich im Beichtstuhl.
Er hatte die Gabe der Herzensschau. So wurde sein Rat von vielen gesucht. Genauso aber wurde er aufgesucht bei schwersten Notsituationen, Erkrankungen Behinderungen. Denn die Menschen hatten erfahren, dass sein Gebet Wunderheilung erflehen kann. Er selbst führte dies aber auf die Fürsprache der hl. Philomena zurück, die er sehr verehrte.
Am 4. August 1859 starb der völlig erschöpfte Pfarrer in seinem Pfarrhaus.
Nach der Seligsprechung durch Papst Pius X am 8. Januar 1905 folgte am 31. Mai 1925 die Heiligsprechung durch Papst Pius XI., der ihn 1929 zum Patron aller Priester des Universums erklärte.
4. Pfarrer von Ars–Gebetsgemeinschaft
Nach einem inneren Impuls und Gebet wurde die Pfarrer von Ars-Gebetsgemeinschaft im Internet gegründet, deren Ziel es ist, dass Laien als Dank für ihre Priester um Stärkung, Heiligung und Treue beten. Die Homepage www.priestergebet.de
erschien zum ersten Mal am 8.12.2008 im Internet, dem Tag der Eröffnung des Jubiläumsjahres in Ars anlässlich des 150. Todestages des hl. Pfarrers 1859.
Keine verpflichtenden Gebete sind vorgeschrieben, sodass jeder entsprechend seiner eigenen Spiritualität diesen Auftrag erfüllen kann.
Seit 2010 findet jährlich ein Treffen zum Kennenlernen, Austausch und geistlicher Vertiefung statt, mit einer Ausnahme bisher immer im Crescentia-Kloster, Kaufbeuren.
Im Rahmen einer Wallfahrt nach Ars wurden die Vornamen aller angemeldeten Mitglieder bei einer Marienweihe in ein vergoldetes Silberherz am 23.10.2013 in den Tabernakel zu Füßen der Muttergottes-Statue in der Basilika in Ars hineingelegt. Dies geschah nach dem Vorbild des Pfarrers von Ars, der auf gleiche Weise seine Pfarrkinder der Muttergottes geweiht hat. Die Vornamen später angemeldeter Mitglieder werden ebenfalls in dieses Herz hinzugefügt bei einer gemeinsamen oder privaten Wallfahrt.
In einer Zeit starker Bedrängnis für Priester ist dieses Netz zwischen Priestern und Gläubigen ein wirkliches Geschenk des Himmels, das wir auf die Fürsprache des heiligen Pfarrers von Ars zurückführen.
19.03.2020 ih
°Aus: Francis Trochu, Der Pfarrer von Ars, 2001, S.32
°² ebenda, S. 36
°³ebenda, S. 47
°4 ebenda, S. 78f
°5ebenda S. 79f
°6 ebenda S. 81
°7 ebenda S. 88f
°8 ebenda, S.93f
°9 ebenda S. 96
°10 ebenda S. 105
°13 ebenda S. 189
°14 ebenda S. 190
°11Jean-Marie Vianney, Pfarrer von Ars, hrsg Bernard Nodet,1959, S.162
°12 ebenda, s. 226
°15 aus: Joh. Janssen, Der ehrw. Pfarrer von Ars, Steyl 1885, S.79