Rigorismus und Heiligkeit

Bei der Erforschung der Persönlichkeit von Jean-Marie Vianney könnten manche sich darüber wundern, bei ihm eine Strenge zu finden, die mit einer Art des Rigorismus verwandt zu sein schien, besonders während seiner ersten Jahre in Ars. Aber was genau ist Rigorismus und welche Rolle könnte er im Leben des heiligen Pfarrers gespielt haben?

I - Die Zeit des Rigorismus

Das Wörterbuch der Französischen Akademie definiert den Rigorismus als „die genaue und oft übermäßige Beobachtung von Prinzipien und Regeln, insbesondere in Fragen der Moral und Religion“. Diese Tendenz, die in bestimmten Epochen in den meisten Religionen auftrat, führte nicht zuletzt zu verschiedenen Formen des Fundamentalismus.


Das Auftreten einer rigoristischen Strömung im XVII. Jahrhundert
Im Katholizismus hat sich eine rigoristische Strömung in Frankreich seit den1650er Jahren während der intensiven Reflexion in der Moraltheologie bei der Lösung von Gewissensfällen entwickelt.
Die moralischen Regeln legen in der Tat die Grundprinzipien fest – zum Beispiel „du sollst nicht töten“-aber sie können nicht vollständig die unbegrenzte Zeit aller konkreten Fälle berücksichtigen. Also „ist es erlaubt, eine Person zu töten, um seinen Besitz zu verteidigen?“ oder auch „darf man Schokolade während der Fastenzeit essen?“ Oft ist es also notwendig, das moralische Gesetz zu interpretieren zur Entscheidung, ob man frei handeln kann oder ob eine Regel dagegen steht. In diesem Konflikt zwischen Recht und Freiheit traten zwei Meinungen auf.
Für einige Moralisten muss der Zweifel der Freiheit zugutekommen. Wenn es die Wahrscheinlichkeit gibt, dass eine geplante Aktion nicht verboten ist, dann kann man so handeln, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es verboten ist, größer ist. Das ist die sogenannte „probabilistische“ Theorie (vom Lateinischen probabilis, wahrscheinlich). Also kann man Schokolade in der Fastenzeit doch essen…
Für andere dagegen muss der Zweifel dem Recht zugutekommen. Man kann nur so handeln, wenn die Entscheidungsfreiheit deutlich wahrscheinlicher ist als die des Verbotes, andernfalls muss man davon absehen. Das ist die sogenannte „probabilioristische“ Theorie (vom Lateinischen probabilior, wahrscheinlicher). Wenn man sie anwendet, dann keine Schokolade in der Fastenzeit, da ihre Erlaubnis nicht „mehr als wahrscheinlich“ ist.
Jeder dieser Ansätze kann in zwei Richtungen abdriften: für den Probabilismus eine zu große Schlaffheit, die bis zum Laxismus gehen kann, und dagegen für den Probabiliorismus eine zu große Strenge mit einer Vielzahl von Verboten, die zu Rigorismus führt.
Während der ganzen zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gerieten „Probabilisten“ und „Probabilioristen“ in heftigen Kontroversen aneinander, bei denen insbesondere Pascal teilnahm. Dieser Streit wurde noch verzwickter mit der Entstehung des Jansenismus, dessen Prinzipien von einer großen Strenge und einer extremen moralischen Härte geprägt waren.
Aus Furcht wegen „Laxismus“ angeklagt zu sein –mehrere Male verurteilt durch den Papst - und um nicht nachlässiger als die Jansenisten zu erscheinen, hat sich die Mehrzahl der Moraltheologen nach und nach der strengsten Tendenz, der der Probabilioristen angeschlossen.
So kam es, dass Anfang des 18. Jahrhunderts der Rigorismus mehrheitlich in Frankreich war, und zwar für fast eineinhalb Jahrhunderte lang (1700 - 1850).

Die Praktiken des Rigorismus
Die Grundidee war die eines „strengen und harten“ Gottes, der nur Furcht einflößen konnte, während er verlangte, geliebt zu werden. Er zögerte nicht, dachte man, in die Flammen der Hölle zu schicken, die kleinen Kinder, die ohne Taufe gestorben waren und selbst für die Getauften schienen die Chancen des Heils sehr klein.
Die Beichte, „Bußgericht“ genannt, war eine gefürchtete Prüfung. Die Anwendung der  probabilioristischen Theorie vergrößerte die Zahl der Sünden aufgrund ihrer Strenge. Sie rief bei den Gläubigen Skrupel hervor und ließ sie manchmal an ihrem Heil  verzweifeln. Darüber hinaus war der Beichtvater gehalten, vor Erteilung der Absolution sich zu vergewissern, dass der Pönitent sich mit „seinem ganzen Herzen bekehrt“ hatte, und dass er nicht doch in Gefahr war, in seine Fehler zurückzufallen. Auch wurde meistens die Absolution nicht sofort erteilt, sondern erst nach einer Zeit der Prüfung, die sehr lang sein konnte: einige Monate, manchmal Jahre. Der Pönitent war so gezwungen, mehrere Male zurückzukommen mit der Gefahr entmutigt zu werden. Da man tadellos werden musste, um das Sakrament der Vergebung zu erhalten, fragten sich die Gläubigen außerdem schließlich, welches denn seine Nützlichkeit sei und ob es nicht nur eine einfache Bestätigung einer guten Lebensführung war.
Die Kommunion war ebenso strengen Bestimmungen unterworfen: man konnte nur kommunizieren „wenn man im Herzen die reinste Liebe zu Gott hatte“. Es war eine Art Belohnung für „die Heldentaten von Tugend und Askese“. Sie sollte daher nur selten empfangen werden und schien einer Elite vorbehalten zu sein.
Um zu versuchen, einen fordernden Gott zu versöhnen, wurde zu asketischen Praktiken wie Fasten und verschiedenen Entbehrungen ermutigt. Andererseits wurden die Gelegenheiten zu sündigen bekämpft: daher versuchte der Klerus, sich mit allen Mitteln gemischten Treffen zu widersetzen, den Bällen oder den Kabaretts. In der Tat sahen sich in manchen wenigen Pfarreien Personen, die zum Tanzen gegangen waren, öffentlich bei der Sonntagsmesse denunziert

Der Einfluss des Rigorismus auf den Pfarrer von Ars
Während des ganzen 18. Jahrhunderts bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts haben die Abhandlungen der Moral und der Theologie ebenso wie die Lehre in den Seminaren die rigoristischen Auffassungen einmütig verkündet- unter Vermeidung von abweichenden Meinungen aus Vorsicht sich zu viel zu offenbaren. Und während der Revolution war der refraktäre Klerus mehrheitlich rigoristisch. Man versteht daher, in welcher Atmosphäre der junge Jean Marie Vianney geformt wurde bei den refraktären Priestern und in traditionellen Seminaren.
Aus ihrem Zusammenhang gerissen wären gewisse Gewohnheiten des Pfarrers von Ars in seinen ersten Jahren seines Priesterdienstes für uns unverständlich und könnten sogar als extravagant gelten: Skrupel und zwanghafte Angst vor der Hölle, harte Forderungen gegenüber den Pönitenten, Kasteiungen und Fasten… Aber in Wirklichkeit sind sie repräsentativ für das, was man in der damaligen Zeit üblicherweise traf. Selbst der Kampf gegen die Bälle und die Kabaretts, die man als seine Erfindung und nur durch ihn praktiziert ansieht, war weit verbreitet bei den Priestern seiner Zeit.
Wie sollte der junge Pfarrer von Ars nicht durch den herrschenden Rigorismus beeinflusst worden sein? Doch von Anfang an hat er davon einiges vermindert und anderes verworfen. Es würde nicht lange dauern, bis er eine langsame Entwicklung begann, die ihn sehr weit führen sollte…
Nach verschiedenen Historikern war der Rigorismus in Frankreich einer der möglichen Gründe für die frühzeitige Entchristlichung des Landes im 18. Jahrhundert. Sie stellte also eine wirkliche Gefahr für die Kirche dar. Wie konnte sie sich davon befreien und ein authentischeres Gesicht wiederfinden?

 

II - Die liguoristische Erneuerung

Hl. Alfons von Liguori
Kloster der Redemptoristen Cham

Das Aufschrecken wurde durch einen Mann verkörpert, Alfons von Liguori. 1753 und 1755 veröffentlich er zwei Bände seiner „Moraltheologie“, die die Mentalität radikal verändern sollte.
1696 im Süden von Neapel geboren hatte eine brillante Karriere als Advokat begonnen, als ein verlorener Prozess in ihm eine tiefe Krise hervorrief, die zu seiner Bekehrung führte. Mit 31 Jahren zum Priester geweiht, gründete er wenig später die Missionskongregation der Redemptoristen für die Evangelisation der Armen und wurde viel später Bischof. Er wurde Autor von etwa hundert religiösen Werken.   

Da er verstand, dass keine der zwei Theorien, die probabilistische und die probabilioristische, befriedigend war, begann er gegen 1740 die Frage der Lösung von Gewissensfällen noch einmal von Grund auf zu untersuchen. Er studierte also mehrere Jahre lang alles, was zu diesem Thema geschrieben worden war, seit den Kirchenvätern bis zu den neuesten Werken und scheute sich nicht, die besten Spezialisten zu befragen. Bei seinen Untersuchungen bemühte er sich um eine völlige Unparteilichkeit, um „weder seinen Vorurteilen noch seinen Gefühlen“ zu folgen. Er griff alle veröffentlichten Meinungen wieder auf und wies die zurück, die ihm zu nachgiebig oder extrem streng erschienen. So kam er zu einem „Weg der Mitte“, genau zu der Mitte, die man „Äquiprobabilismus“ nennen wird. Er stellte eine Moral zusammen, gleichzeitig gegen die zu „laschen Autoren“ und die zu „strengen Autoren“.
Was die Beichte betrifft, hat der Priester seines Erachtens nicht das Recht, die Absolution dem Pönitenten, der sie erhalten möchte, zu verweigern. „Die Sünder von Monat zu Monat wegzuschicken, heißt nicht sie zu retten, sondern sie zu verlieren.“ Umgekehrt empört er sich gegen die Beichtväter, die die Absolution „jedem x-beliebigem“ erteilen, einschließlich denen, die „ohne Reue“ sind. Ebenso für die Kommunion, er prangert ebenso die übertriebenen Forderungen der Rigoristen an wie die, die sie leichtfertig empfangen. Drei Punkte sind für ihn wesentlich: der Gläubige soll angehalten werden zum Gebet, zur Verehrung der Heiligen Jungfrau und zum regelmäßigen Empfang der Sakramente.
Wie man es beschrieben hat „ist der Liguorismus schließlich weniger eine genaue Moraltheologie als eine geistliche Haltung, Gesinnung.“ Sie erlaubt „von der Pastoral der Angst zu einem Bild eines Gottes der Liebe“ weiterzugehen.
Sein Werk, weit davon entfernt Polemik hervorzurufen, kam durch alle Kontrollen der kirchlichen Autorität, ohne dass eine seiner Vorschläge verboten worden wäre. Die Kirche ergriff sehr schnell die Maßnahmen für das, was sie ihm verdankte: gestorben 1787, wurde Alfons von Liguori seliggesprochen 1816, heiliggesprochen 1839, als Kirchenlehrer ernannt 1871 und schließlich 1950 „Patron aller Beichtvater und Moraltheologen“.

Die liguoristische Bombe in Frankreich
Seine Auffassungen brauchten einige Jahrzehnte um die Alpen zu überqueren, die Zeit der Revolution erwies sich wenig günstig für diese Art von Debatten. So begannen erst ab Anfang der 1820er Jahre, also nach seiner Seligsprechung, eine Handvoll französischer Priester und Theologen sich dafür zu interessieren. Unter ihnen schien der Pionier Mgr Devie zu sein, Anfang 1823 zum Bischof ernannt von Belley, die Diözese, zu der seit kurzem das Dorf Ars gehörte. Es ist ihm zu verdanken, dass der Heilige Pfarrer, damals 37 Jahre alt, als einer der ersten Priester in Frankreich eine Einführung in den Liguorismus erhielt.
1827 richtete Mgr Devie ein Rundschreiben an seinen Klerus, „in dem er forderte, Milde bei den Beichten zu praktizieren und nicht die Verzögerung der Absolution zu missbrauchen“. Er empfahl auch, den Pönitenten zu erlauben außerhalb ihrer Pfarrei beichten zu gehen - ein Tabu für die Rigoristen, was nicht ohne Folgen für das Ausmaß der Aktivitäten des Pfarrers von Ars werden sollte!
Aber dieser kleine Kreis der Überzeugten hatte es schwer, die Botschaft von Alfons von Liguori der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dafür musste man auf die Veröffentlichung eines Buches warten. In der Tat, als 1832 Mgr Thomas Gousset, damals im Amt in Bésancon, „Rechtfertigung in der Moraltheologie des sel. Alfons von Liguori“ erschienen ließ, hatte es die Wirkung einer Bombe!... Der Sieg des Liguorismus, schrieb ein Historiker, geschah „gleichsam sofort“. Der Klerus war sich dessen bewusst, dass die Gläubigen, „befreit von den Zwängen des Alten Regimes“, immer weniger die Härten ertrugen, die man ihnen auferlegte, besonders bei der Beichte. Diese neuen Auffassungen wurden also mit Erleichterung von der Mehrheit der Priester aufgenommen, mit Ausnahme, häufig, von den Ältesten. Als 1850 Mgr Gousset Kardinal wurde, war der Liguorismus gleichsam die Norm in der Kirche geworden.
 
Zwischen dem liguoristischem Atem und der rigoristischen  Tradition, wie würde sich der Pfarrer von Ars sich positionieren?


III - Rigorismus und Heiligkeit

Wenn für Viele die Zustimmung zum Liguorismus sehr schnell war, brauchte er doch viele Jahre, um in die Tat umgesetzt zu werden, so viele fest verankerte Gewohnheiten sind schwierig zu ändern.
Der Pfarrer von Ars, begeistert von der liguoristischen Vorstellung eines Gottes der Liebe, gab nach und nach seine rigoristischen Praktiken auf.

Die Wiederentdeckung des Gottes der Liebe
Während seiner Kindheit hatte Jean-Marie Vianney die Vorstellung eines milden und barmherzigen Gottes. Aber unter dem Einfluss des vorherrschenden Rigorismus im Seminar verdunkelte sich dieses Bild, bis es beunruhigend wurde. Im Liguorismus ist es der Gott seiner ersten Jahre, den der Pfarrer von Ars wiedererkennen sollte und  sich entschied, ihm besser zu dienen.
So begann er in den späten 1830er Jahren alles von dem zu beseitigen, was seine Verhaltensweise zu streng erscheinen lassen konnte. Er wurde verständnisvoller mit den Pönitenten und gab die Praxis der verzögerten Absolution auf, ohne allerdings bei der Notwendigkeit der Reue nachzugeben. Bezüglich der Eucharistie musste er nichts ändern: da er die Kraft der Sakramente kannte, war er immer ein Verfechter für die häufige Kommunion, eine seltene Meinung zu seiner Zeit. Da er auf die „Pädagogik der Angst“ verzichtete, änderte er seine Belehrung; von nun an bestand er in seiner Predigt viel weniger auf der Gefahr der Hölle als auf der Barmherzigkeit Gottes und der Hoffnung auf Heil. Wenn er weiter gegen Bälle und Kabaretts kämpfte, war es wahrscheinlich mehr im Hinblick auf die menschlichen Dramen, die daraus entstanden (verlassene leibliche Kinder, alleinstehende sozial zurückgesetzte Mütter, durch Alkohol ruinierte Familien …), als durch übertriebene Strenge.
Trotz der fortschreitenden Aufgabe seiner rigoristischen Praktiken hinterließen manche in ihm eine tiefe Prägung.

Vom Argwohn zur Klarsicht
Die Anwendung der probabilioristischen Theorie durch die Rigoristen hatte also den Effekt, die Zahl der Sünden stark zu vermehren. Eine der Konsequenzen war die Verpflichtung für den Beichtvater, minutiös die kleinste Spur eines Fehlers bei den Pönitenten zu suchen. Andernfalls war die Beichte nicht völlig aufrichtig und die Absolution wäre ein Sakrileg, so dachte man.
Bei der Erforschung aller Geheimnisse in den Seelen entwickelte der Heilige Pfarrer neben einer großen Aufmerksamkeit für andere im Laufe der Jahre einen außergewöhnlichen Scharfblick. Und es schien, dass Gott ihm die Gnade gab, diese Fähigkeit, die er geduldig während der Stunden im Beichtstuhl erworben hatte, bis zu einem höchsten Grad zu erreichen. Tatsächlich schien er nach der Aussage zahlreicher Zeugen buchstäblich „in den Seelen zu lesen“. Diese erstaunliche Fähigkeit, die ihm erlaubte, jedem die besten Ratschläge zu geben, wird am Beginn von zahlreichen Bekehrungen sein. Sie wird auch einer der Gründe für den Zustrom der Pilger nach Ars werden.
So kommt es auf eine etwas paradoxe Weise dazu, dass er, dank des übertriebenen von den Rigoristen gepriesenen Argwohns einen psychologischen Sinn und einen Scharfblick erlangt, den er im Dienst der Barmherzigkeit einsetzen wird.

Von der Askese zum Mitleiden
Ein anderer Brauch der Rigoristen hielt sein ganzes Leben lang an, aber in etwas umgekehrter Richtung.
Wenn Gott streng und rachsüchtig ist, wie kann man Gnade vor Ihm finden? Eine der Antworten auf diese Frage war von den ersten Jahrhunderten an der Gebrauch von asketischen Praktiken. Es ging darum, sich Fasten und physische Leiden aufzuerlegen, um zu versuchen sein Heil an sich zu reißen. Der junge Jean-Marie Vianney hatte das– unter vielen anderen Dingen – von seinem spirituellen Vater Abbé Balley gelernt, der diese Verfahren ohne Mäßigung gebrauchte.
Doch machte die Vorstellung eines barmherzigen Gottes dies alles nicht unnütz? Konnte der Pfarrer von Ars nicht von nun an mit seinen Kräften haushalten, auf eine ausgewogene Ernährung achten, menschenwürdig schlafen, im Winter heizen? Eine solche Lockerung war undenkbar. Er bewahrte daher sein ganzes Leben die asketischen Praktiken, selbst wenn er im Alter ihre Intensität reduzierte. Aber sie bekamen bald eine neue Bedeutung.
Die Kirche auferlegte damals „festgesetzte“ Bußen, entsprechend den Fehlern. Für die großen Sünder konnte dies unerträglich erscheinen. Wie also die Pönitenten nicht entmutigen, wenn man die Gesetze der Kirche völlig beachtete? Der Pfarrer von Ars fand die Lösung: er gab leichte Bußen auf und es lag an ihm, „den Rest“ zu erledigen. Durch seine Gebete, aber auch sein Fasten und seine Kasteiungen trug er zur Erlösung seiner Pönitenten bei.

Der Pfarrer von Ars hatte das Pech, so scheint es, in einer sehr rigoristischen Epoche geboren zu werden. Aber es gelang ihm, nach und nach von dieser Denkweise sich zu entfernen, mit Hilfe des Liguorismus. Und einigen rigoristischen Zügen, die er bewahrt hatte, gab er einen neuen Sinn, indem er sie in den Dienst der Gläubigen und ihr Heil einsetzte. Da Gott alles zum Guten denen, die ihn lieben, gereichen lässt, kann selbst der Rigorismus zur Heiligkeit führen… wenn man ihn verlässt.

Bernard Paubel  Archivar des Sanktuariums Ars

Wichtigste Quellen;
R.P.BERTHE.Saint Alphonse de Liguori; Ralph GIBSON. Rigorisme et liguorisme dans le diöcèse de Périgueux XVIIème – XIXème siècle; Roger HÉBERT: Du rigorisme au liguorisme; Jean-Loius QUANTIN: Le rigorisme chrétien.

Aus: Sanctuaire d’Ars Les Annales, Nr. 398, Juli- August-September 2024, S. 6-11
übersetzt Inge Hagn