„Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden. Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind? Jesus sagte zu ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.“ Joh 9,39ff
„Du sagtest in deinem letzten Briefe, nachdem der Pfarrer von Ars wie sein göttlicher Heiland das Lob der Menschen geflohen sei, werde er auch wohl, wie dieser, zurückkehren, um sein Opfer zu vollenden… Mir schien, dieser opferwillige Mann könne seine Tage, dem apostolischen Martyrium gewidmet, unmöglich in Ruhe und Zurückgezogenheit beschließen. Trotz meiner Ehrfurcht vor seiner Heiligkeit, konnte ich doch nur denken, hier sei er im Irrtum, und verkenne den Willen des Himmels. Es ist ihm dieser offenbart worden, und nun ist er wieder in unserer Mitte, unsern Gebeten und Gelübden wiedergegeben.“ °
Viel zu schnell sind wir bereit, uns über die Pharisäer zu erheben, die in Jesus Christus nicht das Licht der Welt, nicht den Menschensohn erkennen konnten, obwohl doch vor ihnen der geheilte Blinde stand, was sie nicht leugnen, aber auch nicht erklären konnten.
Sie waren so tief von der Heiligkeit Gottes und seiner Gebote überzeugt, dass sie unfähig waren, sich einer Wirklichkeit zu öffnen, die über ihrer Vorstellung einer scheinbar klaren Verknüpfung von Sünde und Heiligkeit lag. Sie haben übersehen, dass Gott immer der Größere und immer auch der Unbegreifliche ist.
Auch der Blindgeborene musste erst einen längeren Weg der Erkenntnis gehen, ehe er sich vor dem Herrn niederwerfen konnte mit dem Bekenntnis: Ich glaube, Herr!
Der obige Text über den Pfarrer von Ars entstammt einem Brief über die Rückkehr nach seiner Flucht 1843. Jean-Marie Vianney war nach schwerer Krankheit, die ihn bis an den Rand des Todes geführt hatte, völlig erschöpft aus Ars geflohen, was große Trauer und Entsetzen in seiner Pfarrgemeinde ausgelöst hatte. Er selbst war von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt. Ausgerechnet Pfarrer Raymond, der ihm das Leben so schwer machte, gelang es, ihn zu einem Treffen außerhalb seines Zufluchtsortes Dardilly zu bewegen. Sie suchten das alte Heiligtum der Muttergottes von Beaumont auf, um die heilige Messe zu lesen. Bei der anschließenden Danksagung bekam Jean-Marie Vianney plötzlich die Eingebung von oben, in seine Pfarrei zurückzukehren, was bei den Gläubigen einen unglaublichen Jubel und Dank auslöst.
Aus menschlicher Sicht würden wir die Entscheidung des Pfarrers von Ars, nach schwerster Erkrankung mit großer Schwäche seinen Entschluss, sich zurückzuziehen, nicht nur verstehen, sondern auch befürworten. Und doch hatte der Himmel einen anderen Plan, der ihm durch die Mutter Gottes offenbart wurde. Obwohl er selbst etwas anderes wollte, hat er sich im unbedingten Gehorsam diesem von oben gezeigten Willen sofort unterworfen.
Jesus als dem Licht im eigenen Leben zu folgen, setzt ein Ringen, Beten, Hinhören und Gehorsam voraus. Es ist durchaus möglich, dass er auch von uns menschlich Unmögliches erwartet, uns aber niemals allein lassen wird. Gehen wir auch hier an der Hand des Saint Curé unseren je eigenen Weg im Licht des Herrn weiter.
13.02.2020 ih
Aus: Alfred Monnin, Leben des im Jahre 1859 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney, 1863, S. 392