31. Sonntag im Jahreskreis 5.11.2023 Lesejahr A

„Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ Mt 23,9

„Wenn wir verstünden, was das heißt, ein Kind Gottes zu sein, könnten wir nicht mehr sündigen und würden auf dieser Erde wie die Engel sein.“ Pfr. von Ars

Möchte der Herr in Seinen harten Worten seine ganze Trauer und Enttäuschung den Pharisäern und auch Seinen Jüngern an den Kopf werfen? Zumindest scheint es auf den ersten Blick so. Aber schauen wir doch genauer hin! Er benutzt keine Wehe-Rufe oder Schimpfworte. Er hält ihnen nur den Spiegel ihres Verhaltens vor, obwohl Ihm bewusst ist, dass die Aggression gegen Ihn dadurch wachsen wird.
Er wendet sich zunächst an die Pharisäer, weil ihr Verhalten Signalwirkung für das ganze Volk hat. Sie kennen die Gebote, sind aber zu schwach sie zu halten.
Die deutlichen Worte sollen helfen, sich im Licht der Wahrheit Gottes zu sehen.
Jesus möchte die Pharisäer aufrütteln und ihren Blick von sich selbst auf den Vater im Himmel lenken. Der Vater schenkt Leben. Der Vater schenkt die Gnade, seine Lebensweisungen zu beachten und zu halten.
Es geht Jesus nicht darum, die Pharisäer herabzusetzen, sondern ihnen eine Neuausrichtung auf den Vater im Himmel zu geben, und die Sehnsucht nach dem Himmel in ihnen neu zu erwecken.
Dazu gehört, Gott groß sein zu lassen und die eigene Armut und Niedrigkeit anzuerkennen. Vom Vater erhalten wir durch Christus alles. Wir selber sind unfähig, uns das Leben zu geben und schon gar nicht ein Leben in Fülle.
Der Herr verkündet dies nicht nur in Seinen Worten, sondern noch mehr durch Sein eigenes Leben. Er hat sich erniedrigen lassen bis zum Tod am Kreuz und hat so den Weg zum Vater geöffnet. Wenn der Herr diesen Weg gegangen ist, dann ist nicht die Erniedrigung das Ziel. Das Ziel ist die Vergöttlichung beim Vater im Himmel.
Der Pfarrer von Ars hat in einer äußerst schwierigen Zeit gelebt, in der die Zerstörung der Kirche das Programm der Französischen Revolution war. Die Verfolgungen der Kirche hat er bereits als kleiner Junge miterlebt. Dies hat ihn jedoch nicht zu Anklage und Verbitterung geführt. Schon durch die Prägung in seinem Elternhaus konnte er den Blick zum Vater im Himmel richten.
Dies war auch sein zentrales Anliegen, er als zum ersten Mal Ars sah. Er wollte nicht nur dem Hirtenjungen Antoine Givre, der ihm den Weg nach Ars zeigte, den Weg zum Himmel zeigen, sondern allen Gläubigen.
Von oben, von der Liebe des Vaters her hat der Pfarrer von Ars auf die Menschen geschaut, sodass sie in seiner Person die Liebe des Vaters erfahren konnten.
Vianney wird uns helfen, in unserer schwierigen Zeit in Kirche und Welt nicht mit Anklage und Depression zu reagieren.
Er hilft uns, auf das Wort des Herrn in der Heiligen Schrift zu hören und unseren Blick nach oben durch Jesus Christus am Kreuz zum Vater zu richten. So kann der Vater auch durch uns in all unserer Armseligkeit Seine Liebe in dieser Welt aufleuchten lassen. Wer Gott als seinen Vater erkennt, kann nur noch mit den Engeln danken, staunen und jubeln.
11.10.2023. ih

Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.57