13. Sonntag im Jahreskreis 2.07.2023 Lesejahr A

„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Mt 10, 37

„Zu meinem großen Erstaunen macht Herr Vianney, der sonst jungen Mädchen nie anrät, dem Willen ihrer Eltern entgegen zu handeln, sondern vielmehr stets ihre Einwilligung abzuwarten, bei Ihnen ganz entschieden eine Ausnahme. Er sagt, die Tränen der natürlichen Zärtlichkeit würden viel eher trocknen, als die, welche im Fegefeuer vergossen werden“ °

Es scheint so einleuchtend zu sein, Jesus Christus an die erste Stelle im Leben zu setzen. Haben wir uns dazu nicht schon auch öfters entschlossen? Konkret bedeutet dies, den Willen Gottes in allem zu suchen und in der Kraft des Heiligen Geistes auch zu erfüllen. Aber so eindeutig und klar dies klingt, so viele Schwierigkeiten tauchen bei der Realisierung auf.
Für Jesus selbst hatte der Wille Seines Vaters stets die erste Bedeutung. So bleibt Er schon als Zwölfjähriger im Tempel zurück ohne das Wissen Seiner Eltern und sicher im Bewusstsein, welche Sorgen Er ihnen bereiten würde. Aber die schmerzerfüllte Anfrage Seiner Mutter weist Er schroff zurück: warum habt ihr mich gesucht? Ja, Er macht ihnen sogar einen Vorwurf, weil sie nicht wissen, dass Er im Haus Seines Vaters sein muss.
Kurz nach diesem radikalen und für die Eltern unverständlichen Verhalten Jesu berichtet Lukas, dass Er mit ihnen nach Nazareth zurückkehrte und ihnen gehorsam war.
Ein Schlüsselwort liefert Lukas mit der Aussage, dass Seine Weisheit zunahm. Diese Weisheit als Frucht des Heiligen Geistes schenkt die Fähigkeit der Unterscheidung, um den Willen Gottes in der je konkreten Situation zu erkennen.

Der Pfarrer von Ars war begnadet mit der Gabe der Unterscheidung, mit einer Urteilsfähigkeit in einer Sicht von oben her. So konnte er den oben zitierten Rat an Eugénie Smet, die eine Gemeinschaft der Helferin der Armen Seelen im Fegefeuer gründen wollte, geben. In ihrem Fall riet er ausnahmsweise nicht zum Warten auf die Einwilligung der Eltern. Wie die weitere Entwicklung zeigte, sollte er recht behalten. 1856 wurde die Gemeinschaft der Helferinnen der Armen Seelen im Fegefeuer in Paris unter ärmlichen Verhältnissen gegründet. Am 26. 5. 1957 wurde Eugénie Smet seliggesprochen.

Jesus weist uns die Spur auf, den Willen Gottes zu erkennen: wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden (Mt 10, 39). Es geht also um das Loslassen des eigenen Lebens in all seinen rein irdisch verhafteten Bedingungen und Beziehungen.
Der Pfarrer von Ars wird uns den Heiligen Geist erflehen, damit wir in den konkreten Situationen wirklich das eigene Leben lassen und im Vertrauen in die Hände des Herrn legen, wie die Kirche in der Komplet betet.
6.06.2023 ih

Aus: Alfred Monnin, Leben des im Jahre 1859 im Rufe der Heiligkeit verstorben Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney, 2. Bd. 1863, S. 238