Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen zu Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haupt.“
(Mk 14,3)
„Wenn der Sünder sich noch mehr verirrt, hört dieser liebevolle Vater nicht auf, ihn mit seiner Gnade zu verfolgen.“ °Pfr. von Ars
Sehnen wir uns nicht immer wieder danach, Menschen aus ihrer Sünde herauszuholen, damit ihr Leben im Herrn gelingen kann? Wie viele falsche Wege gehen wir dabei! In negativen Gedanken, verurteilenden Worten, Distanzierung! Denken wir nur an die vielen hämischen Bemerkungen über Politiker, Bischöfe, Priester usw., die die Medien überschütten. Frei davon sind auch wir nicht.
Wir nehmen gerne die Position des Überlegenen, des Besseren ein, der weiß, was andere zu tun haben. Und dann wundern wir uns, dass sich überhaupt nichts ändert und ändern kann.
Unmittelbar vor Seinem Leiden gibt uns der Herr eine Weisung für unsere Begegnung mit Menschen in der Sünde, der Ausgrenzung.
Während Hohepriester und Schriftgelehrte nach einer Möglichkeit Ihn zu töten suchen, lässt Er sich von Simon dem Aussätzigen einladen. Der Aussatz war geheilt, sonst könnte Simon eine solche Einladung nicht aussprechen. Diese Heilung verdankt Simon dem Herrn, da es natürliche Heilmittel nicht gab.
Aussatz steht in der Bibel für Sünde und Unreinheit. Entgegen dem Verbot, sich einem Aussätzigen zu nähern, hat Jesus dies getan. Er geht den Verirrten, Ausgestoßenen nach.
Markus erwähnt nicht ausdrücklich wie Lukas, dass die Frau, die Jesus mit dem kostbaren Nardenöl gesalbt hat, eine Sünderin war (Lk 7,39). Es war ein Skandal, dass der Herr sich von einer Sünderin berühren ließ.
Die Sehnsucht nach Befreiung und Heilung spürt die Sünderin und lässt sich von niemandem zurückhalten, sich Jesus zu nähern, der sie bereits vorher mit Seiner Liebe angezogen hat. Ihr Nardenöl, das den Jahresverdienst eines Arbeiters gekostet hat, ist Ausdruck ihrer überströmenden Liebe.
Durch eine Salbung wurden Könige, Priester und Propheten in ihr Amt eingesetzt (1Sam10,1, Ex 30,30, 1 Kön19,16).
Der Herr lässt sich vor Seinem Tod von einer Sünderin salben zum König, Priester und Propheten. Einfach unfassbar ! Von ihr wird man auf der ganzen Welt erzählen, wo immer auch das Evangelium verkündet wird.
Vor Beginn Seines öffentlichen Wirkens ist der Herr in die Tiefen des Jordan gestiegen, in die Bedrohung des Lebens durch die Sünde. Er hat sich vom Geist in die lebensfeindliche Wüste treiben lassen, um neu Leben in alles Verdorrte, Bedrohliche zu bringen, wie wir am ersten Fastensonntag gehört haben.
Um den Preis Seines eigenen Lebens geht Er dem verlorenen Menschen in die letzten Winkel der Bedrohung und sogar des Todes nach. So werden Menschen von Seiner göttlichen Liebe berührt, laden Ihn ein in das eigene Haus wie Simon, dürfen Ihn berühren und salben wie die Sünderin.
Der Herr handelt völlig anders, als wir dies so oft tun. Er erniedrigt sich bis in den Tod, nimmt die Schuld anderer auf sich, um uns zu erhöhen, herauszuholen aus unserem Elend:
Der Pfarrer von Ars hat in seinem jahrzehntelangen Dienst der Versöhnung in der heiligen Beichte diese Tiefe der Liebe Gottes erfahren. Je mehr sich der Mensch verirrt, umso mehr verfolgt ihn der liebevolle Vater mit Seiner Gnade.
Der Herr verurteilt nicht. Seine Liebe und sein Leiden sind eine ständige Einladung zur Heimkehr zum Vater.
Lernen wir mit dem vom Pfr. von Ars in dieser göttlichen Weise mit den Menschen in Sünde umzugehen. Lassen wir abfällige, verurteilende Gedanken und Bemerkungen. Wenn uns die Versuchung dazu kommt, lassen wir uns vom Herrn in Seine Liebe ziehen. Wir bedürfen als erstes der Umkehr.
20.02.2024 ih
° Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.161