„In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.“ Lk 1, 39f
„Ich glaube, dass die allerseligste Jungfrau am Ende der Welt Ruhe haben wird. Solange aber die Welt noch besteht, fleht man sie von allen Seiten um Hilfe an.“ ° Pfr. von Ars
Unfassbar ist die Botschaft des Engels, dass der Gottessohn Mensch aus Maria wird. So verweist der Engel auf Elisabet, die trotz ihres hohen Alters bereits im sechsten Monat schwanger ist. Denn für Gott ist nichts unmöglich.
Es wäre sehr verständlich, wenn auch Maria sowie Elisabet sich zurückgezogen hätte, um diese neue Lebenssituation in ihrer Tragweite in ihrem Herzen zu erwägen. Aber Maria handelt anders. Sie eilt in jenen Tagen in eine Stadt im Bergland von Judäa zu ihrer Verwandten Elisabet, ein Weg von 160 km bergauf. Für eine Schwangere sehr beschwerlich. Aber nichts hält Maria auf, um rechtzeitig genug bei ihrer Cousine zu sein.
So wie Maria die Helferin für Elisabet war, so war sie das immer für Menschen in den wenigen Situationen, die uns die Heilige Schrift zeigt. In ihrer ständigen Verbindung zu Gott konnte sie schwierige Situationen so wie bei der Hochzeit zu Kana wahrnehmen und durch ihre Bitte an ihren Sohn das Gelingen des Festes ermöglichen.
Vergessen dürfen wir dabei aber nicht, dass die Hochzeit von Kana das Bild der himmlischen Hochzeit ist, zu der der Vater alle Menschen eingeladen hat. Der Weg zur Teilnahme an der Hochzeit geht durch Tod und Leid. In der Durchbohrung des Herzens Jesu floss Blut und Wasser zum Heil der Menschen. Maria blieb unter dem Kreuz stehen, ohnmächtig, voller Schmerzen und doch ganz ergeben. In dieser Hingabe, die das Ja zum äußersten Leiden einschließt, wurde sie von ihrem Sohn in ihrer Bitte für die Brautleute erhört.
Der Sohn Gottes hat Fleisch angenommen zur Erlösung des ganzen Menschen mit Leib und Seele. Eine Leibfeindlichkeit, die man immer wieder der christlichen Botschaft nachsagen will, hat der Herr nie gewollt. Auch der Leib sollte durch Leid und Tod zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen.
Maria hat dies erfasst. Sie wusste, dass die Hilfe für ihre Mitmenschen die leibliche Seite des Gebetes zu Gott ist. In ihrem Herzen hat sie darum Gott niemals verlassen.
Auch der Pfarrer von Ars ist diesen Weg gegangen. Wie sehr hat er sich nach der Einsamkeit mit Gott im Gebet bei den Trappisten gesehnt! Seine Fluchtversuche aus Ars sind der Hilfeschrei seiner Seele, die in der Einsamkeit sich ganz Gott hingeben möchte. Aber Gott wollte diese Hingabe in seinem priesterlichen Dienst, zuletzt bis zu 16 Stunden täglich als Beichtvater.
Was auch immer er getan hat, er war ständig innig vereint mit Gott, gesammelt in der Gegenwart des Herrn. Sein Dienst für den Nächsten war die Inkarnation des Gebetes. So wie das Wort Fleisch angenommen hat, so hat auch sein Gebet Fleisch angenommen durch seinen Dienst der Verkündigung, der Barmherzigkeit, der Liebe zu jedem einzelnen Menschen, besonders zu den Armen. So haben die Menschen in ihm Gott erfahren, oftmals nur durch einen einzigen Blick in seine Augen und sind zur Umkehr gelangt.
So wie Maria dem Heiligen Pfarrer zur Ganzhingabe geholfen hat, wird sie auf die Fürsprache Vianneys auch uns helfen, in unserem täglichen Dienst – wie auch immer er aussieht – genauso mit dem Herrn vereint zu sein wie im stillen Gebet vor dem Tabernakel.
14.11.2024 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.310