„Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern… Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.“ Joh 2,15ff
„Wahrhaftig, könnte ich mit Leuten streng sein, die von so weit her kommen, die so viele Opfer bringen und oft heimlich herkommen müssen?“ °Pfr. von Ars
Das immer wieder verkündete Bild des stets geduldigen, mit Liebe auf den Menschen zugehenden Jesus wird durch dieses Evangelium ziemlich erschüttert. Wir möchten eine solch aufregende Szene eigentlich nicht miterleben.
Die Menschen wollen sich doch nur das beschaffen, was sie für das Opfer im Tempel brauchen. Sie wollen also Gott ehren und dienen. Und dann so eine Abfuhr!
Aber je größer der Eklat, umso deutlicher wird die Botschaft Christi.
Bei der religiösen Praxis ist es möglich, Gott aus dem Blick zu verlieren, und zwar ohne es selbst zu merken.
Die so wohltuenden Worte des Pfarrers von Ars, die jede Strenge gegenüber den Gläubigen bei der Beichte ablehnen und einleuchtend erscheinen, haben eine lange Vorgeschichte.
Im Februar 1818 war Jean Marie Vianney nach Ars gekommen. Bis 1840 war er sehr streng, also 22 Jahre lang, wie es damals in den meisten Beichtstühlen Frankreichs die Regel war. Er befolgte hierbei die Grundsätze, die man um 1815 im Priesterseminar von Lyon lehrte. Die Lossprechung wurde erst dann erteilt, wenn der Priester von der Aufrichtigkeit der Reue des Sünders überzeugt war. Diese Umstellung wurde erst nach dem Studium des Werkes des hl. Alfons von Liguori, das eben von Kardinal Gousset in französischer Übersetzung herausgekommen war, möglich. Ab dieser Zeit kam es abgesehen von Einzelfällen nie mehr vor, dass der Heilige Pfarrer den gleichen Sünder fünf–, sechs– und siebenmal in den Beichtstuhl kommen ließ. Sein Herz war von tiefem Mitleid erfüllt mit der menschlichen Armseligkeit. Er war zur Überzeugung gelangt, dass man der Not der Seelen vor allem mit Güte begegnen müsse.
Diese große Umwandlung des Pfarrers von Ars war von wesentlicher Bedeutung für seinen priesterlichen Dienst und Weg der Heiligkeit, sodass Menschen in ihm unmittelbar Gott erfahren konnten.
So konnte er auch anderen eine Korrektur ihres eigenen religiösen Weges zeigen.
Er hielt Arbeiter, die morgens früh aufstehen müssen, davon ab, die halbe Nacht im Gebet zu verbringen. Er war gegen jede Familienmutter, die ihren Haushalt vernachlässigen würde, um in die Kirche zu gehen, ohne dass es Pflicht war.°
Leicht ist es nicht, die eigenen Abweichungen vom rechten Weg zu erkennen und dann auch entsprechend zu korrigieren.
Nach der Weisung des Heiligen Pfarrers können wir in dieser Fastenzeit in der hl. Messe um unsere eigene Bekehrung beten, damit wir den Blick wieder zentral auf den Herrn ausrichten und nicht auf uns und unsere Vorstellungen. So kann der Herr unser Herz reinigen und uns neu zu Seinem Tempel machen.
30.01.2024 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, 1959, S.168
°² Francis Trochu, Der Pfarrer von Ars, , 2001, S. 260, 277