„Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.“
Mk 9,36f
„Vor einigen Wochen hatte man ihm (einem kaum sechsjährigen Jungen) eine Fibel in die Hand gedrückt und er empfand für das geheimnisvolle Buch eine wachsende Abneigung. „Ich werde den Pfarrer von Ars fragen“, erklärte er seiner Mutter, „ob ich lesen lernen soll.“ Als am nächsten Tag Vianney aus der Kirche ins Pfarrhaus ging, entdeckte er in der Menge den kleinen Gernegroß, der mit ihm zu sprechen wünschte. „Herr Pfarrer“, fragte der Erstklässler, „soll ich lernen oder spielen?“ „Spielen, liebes Kind, das passt für dein Alter.“ Nie wurde ein Bescheid des Heiligen mit größerem Jubel aufgenommen. „Mama“, schrie der Knirps triumphierend, „der Pfarrer hat mir gesagt, ich soll spielen.“°
„da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein“ (Spr 8,30f). So spricht die Weisheit, die in Jesus wohnt.
Zur Zeit Jesu war ein Kind rechtlos. Jesus kam als Kind auf die Welt. Er war frei, die Art und Weise Seiner Menschwerdung zu wählen. Und Er wählte von Anfang an den letzten Platz, die Rechtlosigkeit.
Seine Jünger haben von Seiner Botschaft noch nichts begriffen. Er spricht zu ihnen über Seinen bevorstehenden Tod, sie aber darüber, wer der Größte sei. Welch ein Schmerz muss das Herz des Herrn erfüllt haben!
Aber Er ist geduldig. Er setzt sich, d. h. Er nimmt die Position eines Lehrers ein, um sie weiterzuführen. Es geht also um etwas Wichtiges.
Er nimmt ein Kind in die Arme und stellt es in die Mitte. Das allein ist eine Botschaft, die nicht zu übersehen ist. Es stellt sich mit dem Kind gleich. Wer ein Kind aufnimmt, nimmt Ihn auf.
Zum grundsätzlichen Ja zu jedem Kind, das heute leider mehr denn je infrage gestellt wird, ist es die Einladung, das Wesentliche eines Kindes nie aufzugeben bzw. es wieder aufleben zu lassen. Ein Kind ist einfach da, absichtslos und voller Vertrauen, wenn es angenommen ist. Jesus nimmt uns in Seine Arme, sodass wir Vertrauen zu Ihm und Seinem Vater haben dürfen.
Unser Handeln ist geprägt von vielen Plänen, die oftmals, auch wenn sie noch so gut sind, nicht erfüllbar sind. Auch wenn wir uns dem Herrn zur Verfügung stellen, haben wir unsere Vorstellungen, auf welche Art und Weise dies geschehen soll.
Natürlich dürfen und müssen wir planen. Wir vergessen dabei aber oftmals das Wesentliche, nämlich einfach vor dem Herrn zu sein, die Zeit vor Ihm und mit Ihm zu verbringen, vor Ihm zu spielen. In dieser Absichtslosigkeit wird die Freude am Herrn und an den Menschen wachsen, weil der Herr sie uns schenkt.
Äußerlich gesehen hatte Vianney eine harte Kindheit mit Hirtendienst und Verpflichtungen von jungen Jahren an, ohne die Möglichkeit einer Schulausbildung, worunter er sein ganzes Leben lang gelitten hat. Er selbst hat seine Kindheit jedoch als glückliche Phase betrachtet. Beim Hüten der Tiere konnte er beten und war mit Gott verbunden. Er spielte vor dem Herrn. So hatte er von Kindheit an eine tiefe Beziehung zu Jesus und seiner Mutter. So wusste er auch, dass Spielen für ein Kind wesentlich ist, damit es zu Gott eine Beziehung leben kann.
Der Pfarrer von Ars wird uns in unserem Leben, das selbst in Freizeit und Urlaub durchgeplant ist, helfen, immer wieder Zeiten für das reine Dasein vor Gott, für das Spielen vor Ihm, zu finden.
21.08.2024 ih
°Aus: Francis Trochu, Der Pfarrer von Ars, 2002, S.375