14. Sonntag im Jahreskreis 7.07.2024 Lesejahr B

„Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm.“
Mk 6,5

„Gott handelt als Gott.“ °Pfr. von Ars

Sensationen ziehen Menschen an, aber genauso schnell sind sie auch vergessen. Auch Jesus zieht Menschen an, aber auf eine völlig andere Weise. Die Menschen gerieten außer sich vor Staunen, als sie Seine Worte hörten und Seine Machttaten sahen. Ein Strahl der göttlichen Heiligkeit hatte sie berührt.
Seit dem Sündenfall kann der Mensch die Herrlichkeit Gottes in seiner Nähe nicht mehr ertragen. Im Paradies haben sich Adam und Eva versteckt. Hier können sich die Menschen nicht verstecken. Aber es gibt eine andere Möglichkeit. Sie können das Wirken des Herrn, das menschlich nicht erklärbar ist, einfach infrage stellen. Auch die Schlange im Paradies hat Gottes Weisung verdreht und infrage gestellt: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? (Gen 3,1)
Aber sie brauchen noch eine Begründung für diese Fragen. Diese ist leicht gefunden. Jesus ist in einer ganz normalen Familie Nazareths aufgewachsen, die sich äußerlich in nichts von den anderen unterschied. Wir haben immer das Bild der Heiligen Familie vor Augen und vergessen den damaligen Alltag. Aus einer solchen gewöhnlichen Familie, deren Mitglieder auch namentlich bekannt waren, kann einfach keiner hervorgehen, der Gottes Botschaft in Wort und Werk bringt. Damit ist für sie das Thema abgeschlossen. Sie müssen sich der Anfrage eines göttlichen Wirkens nicht mehr aussetzen und können ruhig ihren Alltag weiter leben.
Weichen wir nicht auch manchmal auf die gleiche Weise dem Herrn aus? Das kann doch so gar nicht sein, Er kann das so gar nicht gemeint haben! Er ist doch die Liebe und kann daher niemanden später richten. Er versteht doch alles und geht unseren Weg immer mit, auch wenn es Irrwege sind.
Die Verdrehung von Jesu Botschaft ist das Verheerende. Natürlich geht Er alle unsere Wege mit und Seine Liebe hört nicht auf, aber immer mit der dringenden Einladung und Bitte zur Umkehr. Letzteres kann man leicht übersehen. Das ist bequemer.
Aber der Herr bleibt auf Seinem Weg der Demut. Er ist hinabgestiegen und Kind geworden. Ein Kind galt zu damaliger Zeit nichts. In allem hat Er sich immer den letzten Platz gesucht bis zum Tod am Kreuz. Auch die Zeichen Seiner göttlichen Vollmacht sind Ausdruck Seiner Demut, weil Er ganz den Vater in Seinem Leben wirken lässt.
Aber nicht nur Jesus lebt in einer vollkommenen Abhängigkeit vom Vater, der Ihm alles gibt und von dem Er alles empfängt. Auch der Vater lebt die Demut. Er macht die Erlösung des Menschen abhängig vom Gehorsam Seines Sohnes, bis ans Kreuz zu gehen und vom Ja Marias.
So wird die Allerheiligste Dreifaltigkeit geoffenbart. In ihr fließen Hingabe und Empfangen, Lob und Anbetung. In dieses Geheimnis der göttlichen Demut möchte der Vater uns mithineinnehmen durch Seinen Sohn im Heiligen Geist. Gott handelt auch auf der Welt als Gott.
Die Allmacht Gottes können wir anbeten und annehmen. Seine Demut jedoch können wir nicht einmal ansatzweise begreifen. Unsere innere Natur ist durch den Sündenfall so sehr gestört, dass wir immer einen vorderen Platz einnehmen möchten, wenigstens jedoch einen besseren als unser Nächster. Auch in einem treuen Glaubensleben können wir uns immer wieder in dieser Versuchung und Falle wiederfinden.
Der Pfarrer von Ars hat sich in die Demut Gottes in unglaublicher Intensität hineinnehmen lassen und wurde so zu einem hervorragenden Werkzeug Gottes. Er steht uns auf den Weg in die Demut des dreifaltigen Gottes bei.
29.05.2024 ih

Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.74