„Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief.“ Mk 4,37f
„Wenn Sie wüssten, welche drückende Last, welche Kälte, welche Folter das in meiner Seele bewirkt!“ sagte Vianney einst zu einem Pilger, der die Genauigkeit dieser Worte verbürgt; „o, ich halte es so nicht länger aus! Mein Gott, erlöse mich davon! So oft ich dahin gelange, nicht mehr zu zweifeln, so finde ich sofort den Frieden wieder, und ich bin leicht, wie ein Vogel! – Aber der Teufel stürzt mich immer wieder in meinen Zweifel, dann ist‘s mir, als schleppte man mich über Stock und Stein daher“ ° Pfr. von Ars
Der Herr hat auf Stroh in der Krippe zu Bethlehem geschlafen. Am Ende seines Lebens war das Holz des Kreuzes Sein Bett. Während Seines Lebens hat der Menschensohn keinen Ort, wo er Sein Haupt hinlegen kann, während Füchse ihre Höhlen und Vögel ihre Nester haben (Mt 8, 20) Nun aber schläft Er auf einem Kissen, ein Bild von Ruhe und Wohlbefinden und das mitten im tosenden Sturm der Wellen. Kennen wir das nicht. Mitten in Krisen und Bedrängnissen scheint der Herr uns nicht zu hören, welche flehentlichen Bitten auch immer wir an Ihn richten.
„Wach auf! Warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoß nicht für immer!“ So betet aus tiefster Not der Psalmist (Ps 44,24)
Das Verlassen-sein inmitten großer Not ist eine Urerfahrung des Beters, die Jesus selbst durchlitten hat: „ Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen,“
(Ps 22,1). Dieser Psalm endet in einem Lobpreis für die Erhörung in großer Not, den der Herr am Kreuz in Seinem Herzen trug, ohne dass menschlich eine Erfüllung der Bitten erfahrbar gewesen wäre. Dieser Lobpreis ist Ausdruck des absoluten Vertrauens auf Gott, der immer hört, auch wenn Er scheinbar schläft.
Daher schläft der Herr in größter Ruhe mitten im Sturm, um Seinen Jüngern dieses Vertrauen zu schenken. Sie halten zwar während des Leidens Ihres Herrn nicht stand, werden aber fähig, in neuem Vertrauen Ihm wieder nachzufolgen.
Der Pfarrer von Ars hatte eine schwere Krise, die acht Jahre lang anhielt. Anfangs war er glücklich über die Erscheinungen der Muttergottes in La Salette. Nach einem wohl unglücklich verlaufenen Gespräch mit dem Seher Maximin konnte er nicht mehr daran glauben, fühlte sich aber gleichzeitig schuldig gegenüber der Muttergottes, die er so innig verehrte. Er musste die Erfahrung machen, dass Gott scheinbar ihn nicht erhört und ihm keine Klarheit schenkt. Nach seinem eigenen Zeugnis hat diese Verwirrung erst aufgehört, als er sagte: Credo. Nach diesem absoluten Vertrauensakt fand er den inneren Frieden wieder.
Genau hier ist Vianney uns ein großer Lehrmeister und Helfer. Wir müssen Gott Zeit lassen, bis Er antwortet, und einen Akt des Vertrauens setzen, ohne die Erfüllung zu sehen. In solchen Situationen schläft der Herr auch neben uns auf einem Kissen. Aber Sein Herz ist hellwach und sieht unser Ringen. Er wird uns zu der von Ihm bestimmten Zeit retten.
20.05.2024 ih
Aus Alfred Monnin, Leben des im Jahre 1859 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney, 1863,. 2. Bd., S.181