Taufe des Herrn 9.01.2022 Lesejahr C

 

„In jener Zeit war das Volk voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei.“ Lk 3,15

Eines Tages teilte Vianney einem Confrater, den er liebte, über seine inneren Leiden mit: „Ich verdorre vor Kummer auf dieser armseligen Erde,“ sagte er, „meine Seele ist traurig bis zum Tode. Meine Ohren hören nur missliche Dinge, die mir das Herz zernagen. Ich habe nicht mehr die Zeit, um zu beten. Ich kann es nicht mehr aushalten.“°

Das ganze Volk wartete auf Christus, den Erlöser. Sie erwarteten viel, ja alles vom Erlöser, Befreiung von der Fremdherrschaft der Römer, Heil im eigenen Leben. Sie hatten sich ein Bild des kommenden Erlöses gemacht. Enttäuschungen waren damit vorprogrammiert, da sie letztendlich nicht bereit waren, ihre eigenen Vorstellungen von der Realität korrigieren zu lassen.

Der Pfarrer von Ars, der in seinen Gebeten, geistlichen Erfahrungen –gerade auch in der Umkehr von Menschen - Gottes Liebe immer wieder in einer Fülle erfahren hat, die wir nur erahnen können, hat ständig auf die endgültige Begegnung mit dem Herrn gewartet. Für ihn war das innere Leben ein Bad der Liebe, in das die Seele eintaucht. Gott hält dann den inneren Menschen, wie eine Mutter den Kopf ihres Kindes in den Händen hält, um es mit Küssen und Liebkosungen zu bedecken.°²

Auf dem Hintergrund dieser inneren Erlebnisse waren dann die Erfahrungen mit Menschen, die Gott nicht lieben, die unter ihren Sünden nicht leiden, für ihn schlichtweg unerträglich. Er gesteht selbst, dass er sich jeden Morgen neu Gewalt antun musste, um den beschwerlichen Dienst im  Beichtstuhl wieder aufzunehmen.


Worauf warten wir? Ist es wirklich der Herr, auf den wir unsere Hoffnung setzen oder sind es nicht auch wie zur Zeit Jesu im Wesentlichen irdische Sehnsüchte und Wünsche, z. B. das Ende der Pandemie. Dann könnten wir endlich so leben wie vorher. Fragen wir dabei auch noch, welche Pläne Gott für uns und unsere Zeit hat?

Das Spannungsfeld des Wartens liegt zwischen der Sehnsucht nach Gott, die wir vielleicht schon in unserem Herzen einmal gespürt haben, und dem Alltag, in dem diese Sehnsucht oft unterzugehen droht bei den vielen Aufgaben, die uns in Anspruch nehmen und die eine große Anziehungskraft haben. Es scheint so wichtig, alles rechtzeitig zu erledigen, sodass dann die Zeit für Gott nicht mehr reicht. Wenn aber an der Zeit für Gott gespart wird, ist es schwer, die Sehnsucht nach Gott wach zu halten.

Christus wollte in Seiner Taufe in unser Leben total eintauchen. Lassen wir das zu, damit Er Seine Pläne für uns, mit uns und durch uns verwirklichen kann. Machen wir uns dabei auch auf Richtungswechsel gefasst. Der Pfarrer von Ars, der ein Leben in Stille wollte, hat sich immer wieder durchgerungen, den Willen Gottes im Dienst als Pfarrer zu erfüllen, gegen alle inneren Widerstände. Er wird uns die Fügsamkeit für Gottes Pläne erflehen, damit wir das Ziel unseres Wartens, den Herrn, erreichen.
22.12.2022 ih

° Aus: Alfred MonninLeben des im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney“, 2. Bd. 1863, S.170
°² Joseph Vianey, Le Bienheureux Curé d‘Ars, 1923, S.172