Dreifaltigkeitssonntag 12.06.2022 Lesejahr C

„Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört …“ Joh 16,13

„Ich habe mehr von diesem Katechismus profitiert, gestand der Pfarrer einer der großen Pfarreien von Lyon, als er von der Katechese des Heiligen kam, als von allen Belehrungen, die ein Prediger mit Titel in meiner Pfarrei acht Tage lang gegeben hat. Jetzt habe ich gerade Muttergedanken gehört.“°

„Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38), fragt Pilatus den Herrn. Vielleicht hat ihn die Frage anfangs wirklich interessiert. Aber den Konsequenzen dieser Antwort wollte er sich nicht stellen.

Jesus verspricht den Geist der Wahrheit. Die Wahrheit ist also durchaus keine intellektuelle Erkenntnis, sondern eine Person, eine göttliche Person. Er selbst spricht von sich als Weg, Wahrheit und Leben (Joh 14,6).

Wahrheit ist die Allerheiligste Dreifaltigkeit in drei Personen, eine nie zu begreifendes und auszulotendes Mysterium, in dem Jesus alles vom Vater empfängt und der Geist alles von Jesus nimmt. Das göttliche Leben der Dreifaltigkeit ist Hingabe und Empfangen und zwar nicht etwas, sondern das ganze Sein.

In der Nachfolge Jesu Christi sind auch wir zu einem Leben des Empfangen und der Hingabe eingeladen, ebenfalls mit unserem ganzen Sein.

Pilatus verweigert sich der Wahrheit, weil er den Preis, eventuell den Verlust seines Amtes, dafür nicht bezahlen möchte und wird so zum Handlanger des Bösen.

Sind wir nicht alle aber auch ständig in Gefahr nicht der Wahrheit, sondern den eigenen Interessen zu dienen?

Der Pfarrer von Ars kannte die Abgründe des menschlichen Herzens und begegnete ihnen durch Unterweisung in ewigen Wahrheiten.

Muttergedanken nennt sie der Pfarrer von Lyon, auf Deutsch gibt es nur das Wort  Hauptgedanken, was jedoch völlig kraftlos ist.

Muttergedanken sind die Gedanken, die dem Leben dienen, ja  die das Leben zur Welt bringen. Es sind die Gedanken, die uns zur Liebe zu Gott, zu den großen Wahrheiten, zu den letzten Zielen führen, zur Flucht vor der Sünde und zum Dienst am Nächsten, wie es Trochu ausführt°². Er bemerkt weiter, dass dies ein unerschöpfliches Thema ist, das manchmal vernachlässigt wird und  doch dem Heil dient.

Nicht theoretische Erörterungen lassen die Liebe zu Gott wachsen, sondern ein ständiges Bemühen um das Leben in Gott, aus Gott und durch Gott in der Kraft des Heiligen Geistes.

Wie sehr brauchen wir den Geist der Wahrheit heute, für uns persönlich, für die Kirche, für die ganze Welt! Der Heilige Pfarrer von Ars möge auch heute noch durch seine Predigten zu uns sprechen und uns den Weg der Wahrheit lehren.
20.05.2022 ih

° Aus: Trochu, Le Curé d‘Ars Predicateur populaire, 1950, S.154, übersetzt ich
°²ebenda S. 154