„Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei, doch er konnte es nicht wegen der Menschenmenge; denn er war klein von Gestalt. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.“
Lk 19, 3f
„Welche Güte Gottes! Sein gütiges Herz ist ein Meer an Barmherzigkeit; welch große Sünder wir darum auch sein mögen, verzweifeln wir nicht an unserem Heil. Es ist so leicht, sich zu retten!“ °Pfr. von Ars
Auf einen Maulbeerfeigenbaum steigt Zachäus, um Jesus zu sehen. Da in der Heiligen Schrift kein Wort zufällig steht, hat auch gerade dieser Maulbeerfeigenbaum eine Bedeutung. Der Prophet Amos war Maulbeerfeigenbaumzüchter (Am7,14). Er wurde von Gott berufen, Israel anzuklagen für des Gottesvolkes unwürdige Zustände wie Reichtum auf Kosten der Armen, Macht sowie Genussstreben und wurde daher des Landes verwiesen. Am Ende aber kündigt Amos den Wiederaufbau der zerfallenen Hütte Davids an.
Die Begegnung des Zachäus mit dem Herrn erfolgt unmittelbar vor dem Leiden und Sterben Jesu Christi in Jerusalem. So wird auch Zachäus zu einer prophetischen Gestalt. Zutiefst spürt er, dass Reichtum keine Erfüllung schenken kann und sehnt sich nach mehr. Er ist klein von Gestalt, aber auch klein in seiner Persönlichkeit, die bisher egozentrisch war. Die Begegnung mit Jesus Christus verwandelt ihn völlig, so dass er selbst ein Zeichen für die Barmherzigkeit des Herrn wird.
Das erste ist die Freude, mit der er Jesus bei sich aufnahm. Ursache für diese Freude ist die Frucht des Kreuzes, dem der Herr entgegengeht.
Zachäus ist nunmehr bereit, die Hälfte seines Vermögens – und das ist sehr viel – an die Armen zu geben, so wie Gott aus der Fülle seiner Gnaden uns unaufhörlich beschenkt. Aber nicht nur das. Er leistet im Übermaß Wiedergutmachung für seine bisher überhöhten Forderungen, da er das Vierfache zurückgeben will.
Der Herr leistet am Kreuz Wiedergutmachung für die Sünden der ganzen Welt, sodass die Kirche in der Osternacht über die Felix culpa - die glückliche Schuld -jubeln kann. Durch das Kreuz hat Gott mehr geschenkt, als was der Mensch durch den Sündenfall verloren hatte. Über Wiedergutmachung, Sühne wird heute kaum gesprochen. Doch sind sie zentral für die Heilung jedes einzelnen Menschen, der Kirche, der Welt.
In Zachäus zeigt sich unbegrenzte Größe der Barmherzigkeit Gottes, die den Menschen wieder zu einem wahren Abbild Gottes macht.
Und zu dieser Barmherzigkeit ist jeder eingeladen, wie der Pfarrer von Ars sagt. Er hat bei jahrzehntelangem Beichthören sehr viele völlige Umwandlungen der Menschen durch Umkehr gesehen. Bei diesem Werk der Gnade Gottes hat er durch ein Leben der totalen Hingabe mitgewirkt.
Auf die Fürsprache des Heiligen Pfarrers von Ars können wir uns neu in die Barmherzigkeit Gottes stellen, damit der Herr uns umwandle und uns zu einer Einladung seiner Barmherzigkeit für andere Menschen mache.
29.09.2022 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet !959