24. Sonntag im Jahreskreis 11.09.2022 Lesejahr C

 

„Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Lk 15,20

„Seine Geduld erwartet uns!“ °Pfr. von Ars

Wie oft haben wir das Gleichnis vom barmherzigen Vater bzw. dem verlorenen Sohn, wie es früher hieß, schon gehört! „Das kenne ich doch schon“, drängt sich da ganz schnell auf. Aber haben wir wirklich alles gehört,  was der Herr sagen wollte? Gottes Wort können wir niemals ausschöpfen.

Warten! Die ganze Heilige Schrift erzählt uns davon, dass der Mensch auf Gott wartet. Das jüdische Volk wartet bis heute auf den Messias. Auch Maria hat gewartet und wurde zur Mutter des Sohnes Gottes. Der Gläubige wartet in so vielen Nöten auf die Hilfe des Herrn, wie wir es nicht nur in den Psalmen lesen können.

Der Pfarrer von Ars hat durch seinen Dienst der Versöhnung zutiefst erfahren, dass Gott mehr auf den Menschen wartet, als der Mensch auf Ihn. Seine Geduld zu warten ist größer als die Geduld des Menschen.

Das heutige Evangelium zeigt uns, mit welcher Sehnsucht der Vater auf den Sohn, der ihn verlassen hat, wartet. Der Sohn war lange weg und doch sieht der Vater ihn schon von weitem. Er hat also die ganze Zeit gewartet und – so dürfen wir wohl sagen – gelitten, dass es Seinem Sohn fern vom Vaterhaus nicht gut geht. Er schickt ihm aber auch keine Boten nach, um ihn nach Hause zu holen. Er lässt Seinem Sohn die Freiheit der Entscheidung und hält den Schmerz der Trennung aus. In Seinem Mitleid läuft Er dem Sohn entgegen,  umarmt und küsst ihn. Wer möchte nicht so empfangen werden, wenn er einem  anderen begegnet, dem gegenüber er schuldig geworden ist! Um wieviel kostbarer ist diese Begrüßung, wenn sie von Seiten des Vaters kommt.

Warten ist nicht Nichts-tun, sondern ist in großer Geduld Hilfe für den anderen, den rechten Weg wieder zu finden. Leiden wir nicht immer wieder unter unserer eigenen Ungeduld, unter dem Nicht-warten-können?  Warten ist schwierig, weil wir eben auch nicht wissen, ob wir nicht umsonst warten. Aber auch dieses Risiko geht Gott mit uns ein.

Er wartet auch auf die Mitfreude des älteren Sohns. Und das Evangelium sagt uns nicht, ob der Vater in Seinem Warten nicht enttäuscht wurde. Das bleibt offen! Und doch wartet der Vater weiter! Lernen wir das Warten in Geduld bei Enttäuschungen, Verletzungen… Der Vater wartet mit uns und gibt uns die Kraft dazu.

Der Pfarrer von Ars hat auf die Bekehrung der Gläubigen gewartet. Wenn die Pilgerströme abnahmen, betete er Novenen. Und die Pilger kamen wieder in größerer Zahl. Beten wir mit den Pfarrer von Ars in geduldigem Warten um die Umkehr so vieler, die heute den Vater aus dem Blick verloren haben.
19.08.2022 ih

° Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.161