„Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein… Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.“ (Lk14, 26.33)
„Wir müssen sorgsam mit jenen Gütern umgehen, die die göttliche Vorsehung uns schenken wollte, doch nicht unser Herz dran hängen aus Furcht, darüber den lieben Gott zu vergessen.“ °Pfr. von Ars
Das heutige Evangelium ist so anspruchsvoll, dass wir uns ihm kaum stellen wollen. Wir können doch nicht auf alles verzichten. Dann wäre ja nicht einmal das einfachste tägliche Leben möglich.
Lukas berichtet, dass Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere Frauen, die von Ihm geheilt worden waren, Ihn begleiteten und Ihn und Seine Jünger mit ihrem Vermögen unterstützten(Lk 81ff). Auch sie waren in seiner Nachfolge und doch hat Er von Ihnen nicht verlangt, auf den ganzen Besitz zu verzichten. Sein tägliches Leben wurde eben auch von diesen Frauen finanziert und Jesus hat das angenommen.
Entscheidend ist nicht die Besitzlosigkeit, sondern das Verhältnis zum Besitz. Die eigene Familie soll gering geachtet werden, bedeutet doch nicht, es an Ehrfurcht und Respekt fehlen zu lassen. Es geht vielmehr darum, die Wertigkeitsskala in rechter Weise für das eigene Leben zu ordnen. Dann kann eben weder ein Mensch noch der Besitz den ersten Platz haben, weil dieser Gott allein gebührt.
Der Herr will uns freimachen von falschen Verhaftungen, Bindungen, Ketten, die uns hindern auf dem Weg zum Vater. Er versichert uns, dass unser himmlischer Vater weiß, was wir brauchen. Wir aber sollen zuerst Sein Reich und Seine Gerechtigkeit suchen und dann wird uns alles andere dazu gegeben (Mt 6, 32f). Der Herr zeigt uns also nicht den Weg in die Armut, sondern in die Freiheit. Die Sorgen, die uns oftmals lähmen, dürfen wir dem himmlischen Vater überlassen.
Der Pfarrer von Ars hat das Gebot der Armut in einer für uns unvorstellbar radikalen Weise gelebt. Aber so wie bei seinem strengen Fasten hat er von anderen nicht die gleiche Lebensweise verlangt.
Er war in geistlicher Freundschaft mit der am 22. Mai 2022 selig gesprochenen Pauline-Marie Jaricot (1799-1862) verbunden, die im reichen Hause eines Seidenhändlers in Lyon aufgewachsen war. Nach ihrer Bekehrung am Palmsonntag 1817 lebte auch sie in Armut, hatte aber immer noch das große Haus, das eher einem Schloss glich. In ihrer inneren Not fragte sie den Pfarrer von Ars, ob dies nicht dem Geist des Evangeliums widerspricht. Er aber beruhigte sie und ermunterte sie, ihre Anstrengungen zu verdoppeln°².
In ihrem Engagement für die Verbreitung des Glaubens, für die Armen hat sie später durch unseriöse Mitarbeiter alles verloren und ist in großer Armut gestorben. Dieses Kreuz hat sie ergeben angenommen. Das ist die Freiheit der Kinder Gottes, zu der der Herr uns führen will.
Der heilige Pfarrer von Ars und die selige Pauline- Marie Jaricot mögen uns helfen, persönlich für unseren Besitz, unseren Beziehungen die rechten Entscheidungen zu treffen, damit auch wir im Willen des Vaters leben, der uns zur ewigen Glückseligkeit führen will.
13.08.2022 ih
Aus: Jean-Marie Vianney, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S.364
°²la Revue du Sanctuaire d‘Ars N° 390 Juli-September , S09