Taufe des Herrn 10.01.2021 Lesejahr B

 

„In jener Zeit trat Johannes in der Wüste auf und verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich;“ Mk 1,7

„Nein, es gibt auf der Welt nichts Unglücklicheres als einen Priester. Womit verbringt er sein Leben? Zu sehen, wie der gute Gott beleidigt wird. Immer wird sein heiliger Name gelästert! Immer seine Gebote verletzt! Immer seine Liebe verschmäht! Der Priester sieht nur das, er hört nur davon….  

Er ist immer wie der heilige Petrus im Prätorium des Pilatus,  er hat  immer unseren Herrn vor Augen beleidigt, verachtet, verspottet, bedeckt mit Schande… Die einen spucken ihm ins Gesicht, die anderen geben ihm Ohrfeigen; andere setzen ihm eine Dornenkrone auf; andere schlagen brutal auf ihn ein. Man stößt ihn, wirft ihn zur Erde, tritt ihn mit den Füßen, kreuzigt ihn, durchbohrt ihm das Herz … Ah! Wenn ich gewusst hätte, was ein Priester ist, wäre ich statt ins Seminar zu gehen schnell zu den Trappisten geeilt.“

Wenn er doch wenigstens, um dies auszuhalten,  das Gefühl für das gewaltige Gute seines  Wirkens gehabt hätte! Aber dieser Trost war ihm nicht belassen.°

Stärke scheint geradezu ein Grundbedürfnis des Menschen von Kindheit an zu sein. Sich mit anderen zu  messen und stärker zu ein: Welche Freude für die Starken und wie viel Leid für die Unterlegenen!

Johannes, der den Herrn tiefer kannte, ist demütig genug, um dessen Stärke anzuerkennen und sich selbst zu erniedrigen, da er sich nicht für wert hält, sich zu bücken und Ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Welche Erkenntnis und welche Größe hat doch Johannes!

Was ist dann die Stärke des Herrn? Offensichtlich völlig anders, als wir Starksein verstehen.

Der Herr ist schwach in Seiner Geburt im Stall zu Bethlehem, in der Taufe im Jordan beim Hinabsteigen in die Tiefen des Jordan wie ein Sünder, in Seiner Ablehnung durch die Verantwortlichen in Jerusalem und letztlich durch Seinen Tod am Kreuz. Und doch geschieht Erlösung, Heilung, Rettung durch die Schwäche Jesu Christi. So offenbart Er die Macht und Größe der Liebe des Vaters für jeden einzelnen Menschen und die ganze Welt.

Der Pfarrer von Ars, der ganz mit Christus vereint war, hat an dieser Erfahrung der Schwäche angesichts des Dunkels, der Sünde des Menschen teilgenommen – ohne Trost. Er hat immer wieder am Abgrund der Verzweiflung gestanden und  sich dann radikal der Barmherzigkeit Gottes anvertraut.

Erfahren wir nicht immer wieder Situationen, in denen wir so gerne etwas ändern würden, hätten wir dazu doch nur die Kraft und Stärke? Danken wir Gott, dass wir sie nicht haben! Denn dann würden wir nicht den Weg Jesu gehen, nicht den Weg,  den der Pfarrer von Ars und so viele Heilige gegangen sind. Lernen wir vom Herrn, unsere Ohnmacht, unsere Schwäche anzunehmen und so wie Er alles dem Vater zu überantworten. Der Vater weiß, wann und wie Er handeln soll, nicht nur zum Heil von einzelnen, sondern für alle. Der Heilige Pfarrer erflehe uns die Gnade, auf diesem Weg weiterzugehen, selbst wenn er ohne Trost ist.

27.12.2020 ih

° Aus: Joseph Vianey, Le Bienheureux Curé d’Ars, 1923, S.173, übersetzt ih