4. Adventssonntag 20.12.2020 Lesejahr B

 

„Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Das sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.“ Lk 1,29f

‚Es ist traditioneller Glaube der Gegend, dass sich die Errichtung dieser Kapelle (hl. Johannes Baptist) an eine wunderbare Begebenheit knüpfte, die sich in den ersten Jahren seines Pfarramtes in Ars zugetragen. Eines Tages, so erzählt man, erschien ihm während der heiligen Messe an der Evangelienseite der heil. Vorläufer, und sagte ihm, er wolle in dieser Kirche besonders verehrt werden, und auf seine Fürbitte würden viele Sünder sich zu ihrem Gott bekehren….  „Wenn ihr müsstet, was in dieser Kapelle geschehen, so würdet ihr keinen Fuß hineinzusetzen wagen..“ °

 

Erschrecken bei der Begegnung mit dem Engel Gabriel hatte auch Daniel empfunden, der Visionen der Zukunft erhalten hat. Bei der ersten Begegnung mit Gabriel erschrak Daniel und fiel mit dem Gesicht zu Boden. Nach dieser Begegnung war Daniel erschöpft und lag mehrere Tage krank danieder (Dan8,17;27).

Maria fiel nicht zu Boden in ihrer inneren Reinheit und Stärke, war aber ebenso tief erschrocken.

Die Begegnung mit einem Boten Gottes ist also nicht nur lieblich, zärtlich und ergreifend, sondern auch erschreckend, was wir meist vergessen haben.

Ein Mysterium fascinosum et tremendum ist Gott mit seinen Boten. Wir sehnen uns nach dem Herrn, gleichzeitig fürchten wir Seine Nähe wegen Seiner gewaltigen Größe, Herrlichkeit und Unbegreiflichkeit, die uns Ihn unnahbar erscheinen lässt.

Aber genau die Ahnung der Unendlichkeit Gottes und damit der Unfassbarkeit führt zu einer ganz tiefen Ehrfurcht vor Gott und so auch zu einem unbegrenzten Vertrauen.

Wenn wir uns im Gebet dem Herrn nahen, treten wir ein in den göttlichen Wirkungsbereich, der unbegrenzt ist. Ein „Vater unser“  umschließt so die ganze Welt. Auch wenn unser Gebet nicht so erhört wird, wie wir es uns wünschen, wissen wir im Vertrauen, dass der Herr es aufnimmt und in seinem Heilsplan einsetzt.

Diese Ehrfurcht vor dem Herrn hat auch den Pfarrer von Ars tief geprägt. Seine Begegnung mit Johannes in der zu seiner Ehre errichteten Kapelle macht diesen Ort für menschliche Füße geradezu unbegehbar wegen der Heiligkeit der Gegenwart Gottes, erfahrbar in Johannes dem Täufer.

Schauen wir am kommenden Weihnachtsfest nicht nur auf die Lieblichkeit des neugeborenen Kindes in der Krippe im Stall zu Bethlehem, sondern sehen wir auch auf die unendliche Herrlichkeit Gottes, die sich zu uns herniederneigt, damit wir es überhaupt wagen können, sich Ihm zu nähern. So wird die Liebe zum Herrn in uns neu entflammt werden.

2.12.2020 ih

°Aus: Alfred Monnin „Leben des im Jahre 1859 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney“ , 1863, 1. Bd. S.175f