32.Sonntag im Jahreskreis 7.11.2021 Lesejahr B

„Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle anderen. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.“ Mk 12,43f

„Ich habe viele heilige Personen in meinem Leben angetroffen“, äußerte der Pfarrer von Ars später oft, „aber Pfarrer Balley und Mutter Fayot – so hieß jene Witwe – waren doch die herrlichsten Seelen, die ich je gesehen.“ ° Pfr. von Ars

Mit Jesus schauen wir auf eine arme Witwe und sind fassungslos, weil wir unfähig sind,  unseren ganzen Unterhalt in den Opferstock zu werfen. Aber will der Herr das überhaupt von jedem oder will er uns auch noch ganz etwas anderes lehren?

Immerhin ist das Seine letzte große Lehre, bevor er nach der Ankündigung der Zerstörung des Tempels und der endzeitlichen Not seinen Leidensweg bis zum Tod am Kreuz geht.

Im Zentrum des heutigen Evangeliums stehen die Witwen, die von den Schriftgelehrten ihrer Häuser beraubt werden und  eine von ihnen, die alles hingibt.

Da Witwen sozial einen äußerst schwachen Stand hatten, wurde ihnen von Gott selbst Hilfe zugesagt: „Ein Vater der Waisen, ein Anwalt der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung“  (Ps. 68,6).

Sieht Jesus Christus in dieser Witwe nicht auch Sein Leben und Seinen Weg? Er wurde in Seiner vollkommenen Entäußerung wie ein Sklave  (Phil 2,7) und ist schutzlos wie die Witwe. Und doch liegt in Seiner Hingabe bis zum Tod am Kreuz unsere Rettung und Erlösung.

Kommen wir uns nicht auch immer wieder ohnmächtig vor angesichts der Zustände in Kirche und  Welt sowie unseres eigenen Versagens? Die Witwe ist eine Einladung, diese Erfahrung dem Herrn zu schenken.

Der Herr bittet nur um das, was wir ihm geben können, und das ist oft nicht mehr als unsere Armseligkeit. Aber auch diese Wahrnehmung kann und soll uns immer inniger mit Jesus Christus verbinden.

Auch der Pfarrer von Ars hatte eine intensive Erfahrung mit einer Witwe- Mutter Fayot, bei der er nach seinem unfreiwilligen Desertieren Unterkunft, Schutz und Hilfe erfahren hat. Als Mutter von vier Kindern war sie selbst bedürftig und doch war sie im ganzen Orte geliebt und geachtet. Ihre Liebe hat sie in reichem Maß Johannes Vianney wie ihren Kindern und sogar noch mehr geschenkt, als sie die Bedürfnislosigkeit und das Fasten ihres Gastes bemerkt hat, wie Alfred Monnin in seinem unten zitierten Buch berichtet (S.63). Die Erfahrung ihrer Liebe hat das Leben von Johannes Vianney mitgeprägt. Auch er hat versucht, alles zu geben, was ihm möglich war, bereits im Haus von Mutter Fayot  und später sein ganzes Leben. Er selbst hat sich immer als arm und unfähig angesehen und doch wurden viele durch ihn reich.

Lassen wir uns nicht entmutigen durch so viele negative Erfahrungen in und um uns, sondern schenken wir diese dem Herrn. Gott selbst wird dann auch unser Anwalt sein. Der Pfarrer von Ars geht auf diesen Weg mit uns.

14.10.2021 ih

Aus: Alfred Monnin, Leben des im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney, 1863. Bd. 1, S.63