30. Sonntag im Jahreskreis 24.10.2021 Lesejahr B

„Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu. Und Jesus fragte ihn: Was willst du, dass ich dir tue? Der Blinde antwortete: Rabbúni, ich möchte sehen können.“  Mk 10,50f

„Am 1. Februar 1850 hatte man Fräulein Claudine Venet …nach Ars gebracht. Nach einer Gehirnhautentzündung war sie völlig taub und blind geworden… Als sie nun am 1. Februar vor der großen Kirchenpforte stand, ging der Heilige gerade vorüber. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er die Blinde bei der Hand, führte sie in die Sakristei und ließ sie im Beichtstuhl niederknien. Kaum hatte er sie gesegnet, als sich ihre Augen dem Licht öffneten und ihre Ohren dem Schall …

Aber nach vollendeter Beichte machte der Heilige die sonderbare Voraussage: „Ihre Augen sind geheilt; Sie werden aber für zwölf Jahre wieder taub werden … So ist es Gottes Wille.“… Tatsächlich hörte sie nachher nichts mehr… Ruhig und gottergeben in der Freude an ihrem wiedergeschenkten Augenlicht harrte die Kranke auf den Tag der Befreiung. Wie groß war dann ihre gläubige Ergriffenheit, als am 18. Januar 1862 die volle Heilung eintrat.“°

Die Freude über die Heilung der Blindheit hat den Geheilten in die Nachfolge Jesu geführt. Aber ist das selbstverständlich, was so selbstverständlich erscheint?

Der Herr hat auch zehn Aussätzige auf dem Weg nach Jerusalem geheilt. Aber nur einer von ihnen kehrte um und lobte Gott mit lauter Stimme. Der Herr hat schmerzlich nach den anderen neun gefragt, die nicht umgekehrt sind (Lk 17, 11ff).

Als Jesus den Blinden rief, lief dieser auf ihn zu. Auch wenn Blinde sich sehr gut orientieren können, ist es mehr als ungewöhnlich, dass dieser Blinde gelaufen ist. Es könnte doch etwas im Weg sein! Die Blinde beim Pfarrer von Ars wurde an der Hand geführt.

Die Anrede Rabbúni gebraucht auch Maria bei ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen, den sie als Meister erkennt (Joh  20, 16).

Der blinde Bartimäus hat  durch seinen Glauben schon vor der Heilung die Kraft der Auferstehung erfahren dürfen, sodass er laufen und in Jesus den Meister erkennen konnte.

Die Heilungsgeschichte des Pfarrers von Ars an der blinden und tauben Frau weist hin auf die Kraft des Glaubens, aber noch mehr auf den Willen Gottes. Gott allein ist Herr über Krankheit und Heilung.

Die Heilung des Blinden erfolgte bei Jericho, den Ort, wo die Israeliten über den Jordan in das Gelobte Land eingezogen sind. Dort ist das Volk endgültig aus der Sklaverei Ägyptens befreit in die Freiheit des Bundes mit Gott geführt worden.

So ist auch die Heilungsgeschichte des Blinden ein starkes Hoffnungszeichen, dass im Herrn Augen und Ohren geöffnet werden für sein Heilswirken. Ein Lichtstrahl der Auferstehung wird uns in jedem Glaubensakt geschenkt.

Der Pfarrer von Ars erflehe uns eine starke Glaubenskraft.
30.09.2021 ih

°Aus: Francis Trochu, Der Pfarrer von Ars 2001, S.462f