„In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ Joh 1,4f
„Täglich müsste man beten: Mein Gott schicke mir deinen Geist, der mich erkennen lässt, was ich bin und wer du bist!“° Pfarrer von Ars
Ratlosigkeit sehen wir täglich in Kirche und Welt. Befreiende Lösungen scheinen nicht in Sicht zu sein. Verdunkelt sind Zukunftsperspektiven. Wir versuchen selbst aus diesem Dunkel herauszukommen - ohne Erfolg.
Gerade in der Weihnachtszeit eröffnet sich eine neue Sicht auf alle Probleme durch den, der von sich gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8,12). Aber glauben wir das überhaupt noch? Vertrauen wir wirklich dem Herrn, dass Er das Licht ist, das unsere Dunkelheit erhellt?
Schauen wir nicht auf andere, sondern auf uns selbst.
Im Prolog des Johannesevangeliums finden wir eine der schmerzlichsten Aussagen: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen - das sind wir - nahmen Ihn nicht auf (Joh 1,11). Denken wir nicht vorschnell, dass dies andere betrifft. Zumindest möchten wir dem Herrn nachfolgen und Ihn, Sein Licht, in unser Leben aufnehmen. Aber sind wir wirklich dazu bereit?
Das Licht des Herrn erleuchtet nicht nur unseren Weg zum Vater, sondern zu allererst unser eigenes Inneres, wenn wir es denn zulassen.
Der Pfarrer von Ars zeigt uns diesen Weg zur inneren Erleuchtung, den er selbst gegangen ist. Wir glauben, uns zu kennen und laufen Gefahr, uns dabei gewaltig zu täuschen. Zur Selbsterkenntnis kann uns nur der Geist Gottes helfen, der uns ganz durchschaut – nicht mit Kritik, sondern mit Liebe, um uns zu helfen.
Wie oft sind wir bereit, in Konfliktsituationen anderen die Schuld zuzuschieben und uns selbst zu entschuldigen! Wir kennen weder das Herz des Nächsten noch unser eigenes Herz in den tiefsten Abgründen, die nur das Licht des Herrn erleuchten kann. Wenn wir mit dem Heiligen Pfarrer um dieses Licht der Erkenntnis bitten, tun sich immer mehr Abgründe auf, die in uns heftige Schmerzen auslösen. Vianney hat den Herrn einmal um diese Selbsterkenntnis gebeten und sie wurde ihm zuteil. Dies hat ihn fast in Verzweiflung gestürzt, so dass er den Herrn um ein Ende einer weiteren Selbsterkenntnis bitten musste. Er hätte es nicht mehr ausgehalten.
Er wusste, dass in uns seit dem Fall Adams und Evas alles Böse ganz tief verwurzelt ist. So lud er auch die Beichtenden ein, keine Angst zu haben, denn er sei nicht besser als sie. Das war kein billiger Trost. Diese Worte sind gewachsen im Licht des Herrn, der ihm die Abgründe im eigenen Herzen und damit auch bei anderen gezeigt hat.
Es scheint manchmal, dass gute Christen sich fürchten weiterzugehen, wohl unbewusst in der Angst mit den eigenen Abgründen immer mehr konfrontiert zu werden, die großen Schmerz auslösen. Aber wenn der Herr uns auf diesen Weg mitnimmt, dann geht es Ihm nicht darum, uns in Angst und Schrecken zu versetzen, sondern immer tiefer die Größe Seiner Liebe zu offenbaren. Seine Liebe übersteigt alle unsere Abgründe. Jeder weitere Schritt auf dem Weg der Selbsterkenntnis eröffnet uns damit neue Perspektiven der Liebe Gottes und macht uns immer mehr zu einem Menschen der Liebe und Güte. Dies kann allein der Herr vollbringen und nicht wir - trotz aller Anstrengungen, auch wenn sie unentbehrlich sind. Der Heilige Pfarrer wird uns helfen, wenn wir uns entschließen mit ihm diesen Weg zu gehen, so dass Jesus, das Licht der Welt, auch in uns aufleuchten kann.
12.12.2024 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet 1959, S. 68