„Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!“ Lk 10,40
„Fortwährend arbeitete der Pfarrer von Ars daran, sich und seinem eigenen Willen abzusterben. „Das Einzige, was uns eigen zugehört, … ist unser Wille. Den allein können wir Gott als unser Eigentum anbieten. Man behauptet ja sogar, ein einziger Akt der Willensentsagung sei Gott angenehmer, als ein dreißigtägiges Fasten.“°
Ohne eine große familiäre Vertrautheit zwischen Jesus und den beiden Schwestern wäre es kaum vorstellbar, dass sich Marta im Beisein ihrer Schwester beim Herrn über sie beklagt und um Unterstützung bittet, um Marias Mithilfe zu erreichen. Da scheint ja wohl ein Grundproblem zwischen den beiden Schwestern vorzuliegen, das Marta alleine nicht lösen kann.
Jesus antwortet auf völlig unerwartete Weise. Die doppelte Anrede „Marta, Marta“ zeigt, dass Er etwas sehr Wichtiges zu sagen hat. Mit einer doppelten Anrede des Namens wurde Abraham daran gehindert, seinen einzigen Knaben zu opfern (Gen 22,11).
Mit einer doppelten Anrede „Simon, Simon“ zeigt Jesus dem Petrus die Gefährdung auf, der er während der Kreuzigung ausgesetzt sein wird. Jesus versichert ihm sein Gebet, durch dass er seine Brüder stärken wird, wenn er wieder umgekehrt ist (Lk22, 31ff).
Die doppelte Anrede zeigt die große Zuneigung des Herrn und die Wichtigkeit der folgenden Worte.
Jesus nimmt Martas Mühen und Sorgen wahr. Aber Er führt ihren Blick auf das Wesentliche, dass Maria den guten Teil des Zuhörens gewählt hat.
Wir sollten darin nicht vorschnell eine Kritik an Marta sehen, sondern die Liebe Jesu erkennen, um ihren Eifer weiter zu lenken als auf die Erfüllung irdischer Aufgaben.
Jesus hat dreißig Jahre im Haus seiner Eltern gelebt und mit Josef gearbeitet. Es kann also keinesfalls darum gehen, die tägliche Arbeit als unwichtig anzusehen. Aber wir wissen es doch aus eigener Erfahrung. Wenn wir in einer Arbeit gefesselt sind, können wir sehr leicht anderes Wichtiges vergessen.
In kontemplativen Klöstern ist dem gemeinsamen Stundengebet nichts vorzuziehen, sodass jede Arbeit unterbrochen werden muss, wenn zum Gebet gerufen wird. Dies bedeutet, dem eigenen Willen zu entsagen, eine Arbeit abzuschließen, um Herz und Seele auf den Herrn auszurichten.
Die Mühsal der Arbeit ist seit dem Sündenfall ein Teil des Weges zurück in das Paradies. Dazu aber braucht es immer wieder den Blick auf den Herrn, das Bleiben vor dem Herrn, um Seine Liebe in dieser Welt sichtbar werden zu lassen.
Marta ist diesen Weg mitgegangen. Wieder zeigt sie nach dem Tod ihres Bruders Lazarus die gleiche Spontanität, wenn sie zu Jesus sagt: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Aber sie ist offen für die Worte des Herrn, sodass sie das große Glaubensbekenntnis sprechen kann: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh.11, 22;27)
Für den Pfarrer von Ars war der Verzicht auf den eigenen Willen ein ganz zentrales Thema nicht nur in der Verkündigung, sondern in erster Linie für sich selbst. Ein Leben lang sehnte er sich nach der Einsamkeit in einem Trappisten-Kloster, um seine Sünden zu beweinen. Dieser Gedanke quälte ihn Tag und Nacht. Seine Fluchten aus Ars waren ein Versuch, diesen Traum zu leben. Und doch hat er immer wieder erkannt, dass dies nicht der Wille Gottes ist. Er lehrte, dass nur die stete und unaufhörliche Entsagung des eigenen Willens, dieses beständige Absterben dessen, was in uns lebendig ist, das religiöse Leben so verdienstlich macht. °²
Es ist nicht leicht, die Arbeiten und Pflichten zu erfüllen und dabei durch Unterbrechungen immer wieder sich auf den Herrn auszurichten. Der Heilige Pfarrer von Ars wird uns helfen, immer mehr dem eigenen Willen zu entsagen, um den Herrn den ersten Platz zu geben.
15.06.2025 ih
° Aus: Alfred Monnin, Leben des im Jahre 1859 im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Pfarrers von Ars, Joh. Bapt. Maria Vianney, 1863, 2. Bd. S.456f
°² ebenda S. 457