Der Pfarrer von Ars und der Humor - Msgr. Heinrich Maria Burkard 28.02.2020

 „Eines Tages sprach er von einem sehr geachteten Priester und sagte in ihm sei eine Schwalbe und ein Adler: „Und in Ihnen, Herr Pfarrer, was soll da sein?“ „In mir? Um den Pfarrer von Ars zu vergleichen, braucht es eine Gans, einen Truthahn und einen Krebs.“

Papst Benedikt XVI. stellte im August 2012 bei einem Bayrischen Abend in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo die Frage: „Darf man sich eigentlich so freuen, wenn die Welt so voller Leid ist, wenn es so viel Dunkles und Böses gibt? Und antwortet selbst „Ja, denn mit dem Nein zur Freude dienen wir niemanden, machen wir die Welt nur dunkler. Und wer sich selbst nicht mag, kann auch dem anderen nichts geben und ihm nicht helfen und kann nicht ein Bote des Friedens sein.“

Bemerkungen zum Humor Jesu:

Jesus hat mit seiner Familie Stress bekommen. Am Anfang, als er öffentlich auftritt, sagen sie, er ist von Sinnen. Er ist außerhalb – abgerückt – gehört nicht mehr dazu, wo er zu sein hat. Im Deutschen heißt das verrückt. Der spinnt, der blamiert uns, er ist peinlich. Seine Angehörigen stehen draußen, die Mutter ist auch dabei, und wollen ihn wieder mit nach Hause nehmen (Mk 3,21).

Jesus hat eine Art zu reden, die Menschen betroffen macht, die aber nicht immer einfach zu verdauen ist. Er benutzt überzogene, lustige Vergleiche, dabei soll z. B. ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen (Mt 19,24/Lk 18,25) oder es wird von den Mücken siebenden Pharisäern und Schriftgelehrten verschluckt (Mt 23,23-24).

 „Wer Ohren hat, der höre!“ (Mt11,15/13,9). Jesus ärgert sich darüber, dass die Pharisäer nicht akzeptieren wollen, dass mit ihm was Neues angebrochen ist. Sie sind nicht bereit, es aufzunehmen. Sie wissen von vornherein, das stimmt nicht. Er heilt an einem Sabbat, macht damit einen Mann mit einer verkrümmten Hand wieder handlungsfähig. Das ist verboten - der gehört umgebracht – fertig!

Jesus spiegelt unsere Dummheit wider, wie wir uns verbohren können, von Gott weg sind. Es geht ihm nicht darum, Spaß zu machen, es geht ihm darum, uns zurückzugewinnen: Ich möchte euch zeigen, ihr seid auf dem Holzweg, ihr macht die Narretei. Überlegt, was ihr in euch hinein schaufelt, ist das Weisheit oder Dummheit? Zu denken, ich bin über alle erhaben, ich brauche keine Korrektur mehr, ist eine ganz gefährliche Kiste.

Der Humor des hl. Jean Baptiste Vianney und sein „Karneval“

Man spürt bei ihm seine Selbstironie. Es gibt die berühmten Beschwerdebriefe über ihn. Einer schrieb ihm: „Wenn jemand sich so wenig in der Theologie auskennt wie Sie, dürfte es ihm nicht gestattet sein, im Beichtstuhl zu sitzen.“ Er antwortete: „Ich bewundere Sie und das mit Fug, sie scheinen nämlich der einzige Mensch zu sein, der mich wirklich kennt.“

Es hat keinen Sinn, beim Pfarrer von Ars zu beichten, man habe einen Strick gestohlen und auszulassen, am Ende des Stricks habe sich ein Pferd befunden, schreibt Bruce Marschall zum Humor des Pfarrers.

Nach einem Zusammenbruch 1843 während einer Maiandacht kamen vier Ärzte zu ihm an sein Bett, da meinte er: “Wenn ihr jetzt noch einen fünften holt, dann sterbe ich ganz bestimmt!“

Sein bissiger Humor konnte auch seine Beichtkinder treffen, besonders wenn ihnen die Demut fehlte. Als eine junge Nonne ihn hänselt: “Die Leute sagen, Sie seien ein Dummkopf, Vater!“ antwortet er ihr: „Sie haben vollkommen recht, liebe Tochter. Warum nicht? Manchmal übertreffen meine Albernheiten sogar die Ihren!“

Als ein beleibter Priester zu ihm sagte: „Vater, wenn Sie einmal zum Himmel auffahren,  klammere ich mich fest am Saum Ihrer Soutane!“ „Tun Sie das bitte bloß nicht, ich möchte nicht in der Tür stecken bleiben.“

Noch viele solcher Beispiele werden von ihm erzählt.

Eine besondere Provokation war für ihn der Verkauf von Portraits, die die Leute von ihm machten. Sie wollten ein Souvenir von ihm, dass sie ihn gesehen hatten, dass sie bei ihm gebeichtet hatten: „Seht dauernd diesen Karneval! Seht doch wie arm ich dran bin. Man hängt mich auf, man verkauft mich. Armer Pfarrer von Ars!“ Um über sich selbst zu lachen, hängte er diese Bilder bei sich auf. Immer wieder ging es ihm darum, den Menschen ihren „versteckten Stolz“ auszuschneiden......

Karneval hat eine bestimmte Bedeutung, das Austoben des Närrischen. Wir müssen unsere Narretei überwinden, bevor die Aschenbestreuung kommt. Ein altes Zitat aus Genesis spricht vom Verlust des Paradieses, weil der Mensch sich anmaßt, selber Gott spielen zu wollen und somit vergänglich wird, er verpulvert. „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück!“ Ein Grundgedanke beim Pfarrer von Ars war, dass ihm unsere und seine Zerbrechlichkeit bewusst war. Je älter er wunde, umso sensibler wurde er in dem Punkt. Dieser Kampf in uns um das Gute und Böse im Menschen bleibt bis zum letzten Atemzug. Dem alten Adam in uns geht es immer gut, er erhält sich selbst am Leben. Adam heißt ja Erdling, der aus der Erde Genommene. Alle Glorie, alles sich Aufblähen, sich Aufspielen und festhalten Wollen ist vergänglich und bringt uns weg von  Gott. Wenn wir uns völlig in diesen Dingen verlieren, dann werden wir Pulver. Gott hat uns eine unsterbliche Seele gegeben, aber wir tragen den Schatz Christi in zerbrechlichen Gefäßen (zur Vertiefung: 2 Kor. 4-14).

Die Vergänglichkeit des Menschen stellt die Kirche an den Anfang der österlichen Bußzeit. Damit wir wieder wissen, zu wem wir rufen müssen und was die Dinge sind, die tatsächlich wichtig sind. Früher gab es bei den kirchlichen Debatten die Unterscheidung zwischen Spiritualia, was für die Ewigkeit wichtig ist und Temporalia, die für uns jetzt wichtig sind, aber für die Ewigkeit keine Bedeutung haben. Was ziehe ich an? Wie streiche ich mein Haus? Welchen Arzt wähle ich aus? Verlieren wir uns nicht in diesen Dingen, richten wir uns auf Gott aus! Suchen wir die eigentliche Freude, die kommt nur von dem, was bleibt, nicht vom Vergänglichen. Geistliche Dinge, Glaube, Hoffnung und Liebe, die sollen uns erfüllen und prägen.

Es gibt geistliche Grundhaltungen, die uns gefährden, machen uns eigentlich himmelsuntauglich. Sie sind wie Krebsgeschwüre, die müssen wir wegmachen lassen. Das nennt die Tradition gegenüber den Tugenden Laster. Oberstes Hauptlaster ist Stolz, Hochmut. Die beginnenden Laster sind im körperlichen Bereich (Fresserei, Hurerei), dann kommen die seelischen Laster und dann die geistlichen Laster. Bei den geistlichen Laster ganz oben ist dieses: Ich bin es!  von oben herabschauen, nicht mehr Gott brauchen, keinen anderen mehr brauchen, das ist hochgefährlich, weil das auch fromme Leute haben. Der Teufel freut sich und spuckt sich in die Hände! Leiter oder Gründer von Gemeinschaften sind an diesem Punkt oft besonders gefährdet. Ich brauch keine Hilfe mehr, ich bin ein Profi! Der Pfarrer von Ars wusste, dass er als Priester auch Arzt ist. Wenn ich nicht drum bitte und immer wieder drum ringe, dann verschneid ich mich, mache schlimme Fehler. Es fällt aber sehr schwer jemand zu sagen, hier bist du auf dem Holzweg, negative Dinge anzusprechen. Denken Sie mal drüber nach! Der Pfarrer von Ars hat gespürt, jetzt kommt wieder ein großer Fisch, man muss aus seinen Gewohnheiten was Großes herausschneiden, das Gegenmittel geben, das ihn befreit oder das Geschwür wegschneiden.

„Ah! Dass derjenige, der das Glück haben würde, Nächstenliebe zu haben, diese schöne und unvergleichliche Tugend, darauf achten würde, seinen Nächsten nicht zu beurteilen und ihm schlecht zu wollen! -   Aber du wirst mir sagen, sein Charakter ist zu schlecht, man kann es mit ihm nicht aushalten, mein Freund und Sie glauben, ein Heiliger zu sein, und ohne Fehler? Armer, blinder Mann! Eines Tages wirst du sehen, dass du die Menschen um dich herum mehr leiden lässt, als sie dich leiden lassen. Es ist üblich, dass die Schlimmsten glauben, dass sie andere nicht leiden lassen und dass sie alles haben, um unter anderen zu leiden. O mein Gott, wie blind ist der Mensch, wenn die Nächstenliebe nicht in seinem Herzen ist! Nein, nein, solange Sie nicht diejenigen mögen, die humorvoll sind, die einen ganz anderen Charakter haben als sie und selbst diejenigen, die Ihnen in Ihrer Arbeit widersprechen, werden Sie nur ein Heuchler und kein guter Christ sein!“

Was WIR lernen können vom Humor des Heiligen:

  • Der Spiegel des Narren zeigt unsere eigenen Dummheiten
  • Die Aufdeckung des versteckten Stolzes ist notwendig zu einer durchgreifenden Umkehr
  • Er ist schmerzhaft, aber befreiend (vgl.  Johannes XXIII „Johannes, nimm Dich nicht so wichtig!“
  • Er kann über sich und die Fehler der anderen lachen, ohne bagatellisierend und verletzend zu sein
  • Er ist die Grundlage dafür, dass Gott uns wie ein Töpfer geschmeidig formen kann

Protokoll Elisabeth Johann 2.03.2020