„Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.“ Mk 13,26f
„Jeden Tag beginnt die Ewigkeit von neuem.“° Pfr. von Ars
Angst und Schrecken können die Bilder am Ende des Kirchenjahres einjagen. Ohne den Schein der Sonne und des Mondes, ohne die Sterne am Himmel liegt die Welt in einer absoluten Dunkelheit. Die Erschütterung der Kräfte des Himmels ist unvorstellbar. Aber Jesus wollte doch das Reich Gottes bringen, sicher aber nicht eine Katastrophenstimmung hervorrufen.
Er spricht immer in Bildern, deren Realität wir nicht leicht deuten können.
Im Glaubensbekenntnis beten wir: „er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.“
Dieser deutsche Text verleitet dazu, die Wiederkunft des Herrn in ferne Zukunft zu verlegen, die uns jetzt eigentlich noch gar nicht beunruhigen kann. Im Lateinischen wird das Wort „venturus est“ verwendet, d. h. „er ist wiederkommend“. Dies bezieht sich also nicht auf die Zukunft, sondern auf die Gegenwart. Jeden Tag, jeden Augenblick kommt der Herr wieder. Das Wiederkommen ist also eine Realität von heute.
Das Erlöschen der geschaffenen Lichter ist der notwendige Übergang, dass wir den Menschensohn überhaupt sehen können, der in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit erscheint. Wie viel irdisches Licht, wie viele Bilder, Geschehnisse verdunkeln uns den Blick auf den Herrn! Wir sehen die Schönheit dieser Welt und können nicht dahinter die Schönheit Gottes erkennen. Wir sehen das Leid, aber dahinter nicht das Aufleuchten des Herrn, der Licht vom Licht ist. Bei Seiner Wiederkunft wird der Herr im himmlischen Licht erscheinen, so dass alles irdische Licht demgegenüber nur Finsternis ist. Wir werden Ihn sehen, Ihn allein, umgeben von Seinen Engeln, die Er aussendet, um Seine Auserwählten zusammenzuführen.
In der heiligen Messe beten wir mehrfach um die Wiederkunft des Herrn, besonders auch der Priester im Embolismus: „Komm uns zur Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“
Vielleicht hören wir es so gewohnheitsmäßig, dass uns die Dynamik des Textes nicht mehr so recht bewusst wird. Die ersten Christen haben voll Sehnsucht auf die Wiederkunft des Herrn gewartet und waren über Sein langes Ausbleiben enttäuscht. Aber es ist nicht ein einmaliges Ereignis, sondern ein Geschehen durch die Zeit hindurch.
Immer wenn wir ausschließlich den Blick auf diese Erde richten, besteht die Gefahr, den wiederkommenden Herrn überhaupt nicht zu bemerken. Mit einem aufmerksamen, auf Ihn ausgerichteten Herzen können wir Sein Wirken alle Tage erfahren. Und wenn wir Ihn in dunkler Nacht überhaupt nicht mehr sehen, dann können wir doch noch im reinen Glauben Ihn schauen. Wie viele Heilige sind durch die Nacht des Glaubens gegangen und haben gerade so den Herrn erwartet und Ihm ihre Liebe erwiesen.
Der Pfarrer von Ars hat auf dieser Welt schon immer auch in der Ewigkeit gelebt. Von oben her hat er auf diese Welt geschaut und konnte so zum rechten Urteil über das Geschehen in der Welt und in den Seelen der Menschen kommen. Sein Glaube war ausgerichtet auf die Begegnung mit dem Herrn in der Ewigkeit, der ihm immer wieder neu in irgendeiner Weise aufgeleuchtet ist. Versuchen wir mit seiner Hilfe in all unserer Beschäftigung, in unseren Aufgaben, in unserem Leiden oft hinauf zu schauen zum Herrn, der uns im Himmel erwartet, der aber ebenso jetzt schon bei uns und mit uns auf der Erde ist. Dann wird Seine Wiederkunft uns nicht mit Angst und Schrecken, sondern mit großer Freude erfüllen.
14.10.2024 ih
°Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet 1959, S. 290