„Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst. Er antwortete: Was soll ich für euch tun?“ Mk 10,35f
„Ein Mensch, der so glücklich ist, in Geduld und Sanftmut zu verharren, ist in der Ruhe seines Herzens ein sichtbares Abbild Gottes.“ °Pfr. von Ars
Leicht ist es für uns, sich über die Apostel zu wundern, die sich um die ersten Plätze beim Herrn bemühen und dabei in Zwist geraten. Ist es uns nicht auch schon passiert, dass wir etwas völlig überhört haben, weil wir es nicht verstehen konnten und auch nicht hören wollten?
Aber schauen wir nicht auf die Apostel, schauen wir auf den Herrn! Wie tröstlich ist es, dass Er auf die Bitte von Jakobus und Johannes antwortet: Was soll ich für euch tun? Der Herr ist also bereit, unsere Bitten zu hören und zu erfüllen, aber eben nicht nach menschlicher Vorstellung, sondern nach dem Plan des liebenden Vaters.
Wie sehr muss es Jesus geschmerzt haben, dass Seine Jünger trotz dreijährigen Zusammenlebens über die irdische Denkweise noch nicht hinausgelangt sind. Zum dritten Mal bereits spricht Er über Sein bevorstehendes Leiden. Aber die Jünger können und wollen es nicht begreifen. Würden wir nicht – zumindest innerlich - aufbrausen über die Verhärtung der Herzen? Aber der Herr bleibt in Sanftmut und Geduld. Er fährt sie nicht an, sondern stellt ihnen einfach Fragen, um sie zum Verständnis Seines Weges langsam hinzuführen. Für den Menschensohn geht es nicht um Bedient-zu-werden, sondern um zu dienen und Sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. Das ist auch der Auftrag an Seine Jünger und heute an uns.
Er stellt die Regeln der Macht damit total auf den Kopf. So will Er das Leben des dreifaltigen Gottes neu im Menschen einpflanzen. So wie Jesus alles vom Vater empfängt und der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, so möchte Er, dass Seine Jünger und heute auch wir in dieser gleichen Haltung des Empfangens und der Hingabe leben. Seine Weise, ihnen das näherzubringen, ist Seine Geduld und Sanftmut. So wird Er auch Sein Ziel erreichen. Denn Seine Jünger werden Ihm in der völligen Hingabe ihres Lebens im Märtyrertod wie Jakobus und die übrigen Apostel oder im Exil wie Johannes vollkommen ergeben nachfolgen.
Der Pfarrer von Ars hat nicht nur in Worten Jesu Botschaft gelehrt, sondern mehr noch durch seine Lebensweise, die dem Leben Jesu immer ähnlicher wurde.
Er hatte einen heftigen Charakter und hatte große Mühe, zu Sanftmut und zum inneren Frieden zu kommen. „Wenn man seine Leidenschaften besiegt hat, lässt man seine Glieder ruhig zittern.“°² Es hat ihn also viel gekostet, bis er in völliger Geduld alles annehmen konnte.
In dieser Geduld hatte er die Mädchen in der Providence geleitet und auf gute Wege geführt. In dieser Geduld hatte er schwerste Sünder zum Herrn wieder zurückgebracht. Als er in den letzten Jahren von hunderten von Menschen ständig bedrängt wurde, ist er nicht ein einziges Mal aus seiner Ruhe herausgefallen. Er war so das sichtbare Abbild Gottes. Durch ihn konnte Gott wirken und nicht er in seinen guten Absichten.
Schauen wir auf uns! Versuchen wir nicht allzu oft, auch im Einsatz für die Botschaft des Herrn auf menschliche Mittel zurückzugreifen und wundern uns oft, dass wir so wenig erreichen. Versuchen wir auf die Fürsprache des Pfarrers von Ars in die Lebensweise Jesu hineinzuwachsen, im Vater zu ruhen, alles Ihm zu überlassen und alles von Ihm zu erwarten. Dann hat auch Misserfolg einen Wert für die Ewigkeit.
24.09.2024 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet 1959, S. 259
ebenda S. 259