„Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!“ Mk 10,23
„Die allerseligste Jungfrau hat uns zweimal das Leben geschenkt: Bei der Menschwerdung Jesu und am Fuß des Kreuzes. Sie ist daher in zweifacher Weise unsere Mutter.“ ° Pfr. von Ars
Jesu Worte versetzen die Jünger in Schrecken. Sie sind außer sich und können Ihn nicht verstehen. Über die Jahrhunderte hinweg haben Christen um die Bedeutung dieser Worte Jesu gerungen. Heute sind wir angefragt, nicht vorschnell Seine Worte abzumildern, sondern uns dem Blick Jesu auszusetzen.
Der Herr bleibt bei aller äußeren Erregung der Jünger in Frieden und Ruhe. Er kennt doch zutiefst die alltäglichen Bedürfnisse jedes Menschen.
Maria empfing Gottes Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes in ihrem Haus. Jesus ist in diesem Haus aufgewachsen und hat dreißig Jahre dort gelebt. In der Werkstatt Josefs hat Jesus mitgearbeitet und den Beruf seines Vaters erlernt.
Am Kreuz hat Jesus Seine Mutter dem Lieblingsjünger Johannes anvertraut, damit sie in Schutz und Geborgenheit nach Seinem Tod leben kann.
Aber niemals haben Jesus und Maria ihr Herz an irdischen Besitz gehängt. Sie vertrauten dem Vater, der immer weiß, was wir alles brauchen. Sie lebten von Anfang an so, wie Jesus später es lehrte: „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben (Mt 6,33)“.
Jesus und Maria haben ganz abhängig vom Vater gelebt, nicht aber von ihrem materiellen Besitz. Dieser war lediglich eine Notwendigkeit, um hier auf der Erde den Willen des Vaters zu erfüllen und zuerst sein Reich zu suchen.
Bei aller Armut des Pfarrers von Ars, die kaum zu überbieten ist, hatte er doch ein Minimum an Besitz. Ihm war bewusst, dass die Gefahr, sich an Irdisches zu hängen, in dieser Welt kaum ganz ausgelöscht werden kann.
„Wir haben kein genügend freies und von jeder irdischen Bindung ausreichend reines Herz“°. So lehrte der Heilige Pfarrer.
Maria ist ihren Weg mit einem vollkommen reinen Herzen gegangen. Der Pfarrer von Ars hat erkannt, welche Gnaden bei dieser Reinheit des Herzens Gott schenken konnte. Sie wurde für uns die Mutter des Lebens, das bis in die Ewigkeit hineinreicht und - wie der Heilige Pfarrer sagt - gleich zweimal: bei der Menschwerdung und am Fuß des Kreuzes. Ihre Sehnsucht galt allein, ihr Fiat dem himmlischen Vater gegenüber bis zum Ende zu leben.
Welcher Schmerz muss in ihrem Herzen gewesen sein, als Jesus sie Seinem Jünger Johannes anvertraute. Sie musste ihren göttlichen Sohn dahingeben und Johannes als ihren Sohn annehmen. Geradezu unvorstellbar! Aber in diesem Fiat hat Maria auch jeden von uns als Sohn oder Tochter angenommen und liebt uns in gleicher Weise wie ihren Sohn.
Wenn wir nun eingeladen sind, uns immer mehr von allen Haftungen irdischer Art zu lösen und uns allein an den Herrn zu binden, so werden auch die Menschen, die wir im Herzen tragen, mit dem Herrn verbunden werden. Wir werden eine reinere und innigere Beziehung zu ihnen erhalten. So können auch wir helfen, dass sie zum Leben in der Ewigkeit in Fülle gelangen können. Das gilt auch gerade für die Menschen, mit denen wir uns schwertun. Lassen wir unsere eigenen Vorstellungen, unsere Wünsche los, nehmen wir alle an, wie sie sind, und empfehlen sie der bedingungslosen Liebe des Herrn.
Der Pfarrer von Ars hat auf diesem Weg viele Menschen zu Gott geführt. Er wird auch uns helfen.
17.09.2024 ih
Aus: Jean-Marie Vianney Pfarrer von Ars, 1959, S.307
°²Mgr René Fourrey, Ce que prêchat le Curé d’Ars, 2009, s-274, übersetzt ih