1. Adventssonntag 1.12.2024 Lesejahr C

„Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“
Lk 21,25f

„Weit entfernt, den Christ in Verzweiflung zu stürzen, wird das Letzte Gericht ihn nur trösten. Er wird statt eines strengen Richters seinen Vater und Erlöser finden.“ °
Pfr. von Ars

Die Frohe Botschaft Jesu beginnt auch im neuen Kirchenjahr mit Angst einflößenden Bildern, die die Völker in Ratlosigkeit stürzen. Wir wissen nicht, was auf uns, auf die Welt zukommt.
Die Heilige Schrift müssen wir immer im Kontext mit anderen Aussagen lesen. Matthäus schreibt, dass beim Tod Jesu der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzweiriss, die Erde bebte, die Felsen sich spalteten, die Gräber sich öffneten und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, auferweckt wurden. Sie verließen nach der Auferstehung Jesu ihre Gräber, kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen
(Mt 27,51ff). Diese Ereignisse versetzten damals den Hauptmann und die Männer, die mit ihm zusammen Jesus bewachten, in Schrecken. Aber genau in diesen furchterregenden Ereignissen erkannten sie: „Wahrhaftig, Gottes Sohn war dieser!“
(Mt 27,54).
Wenn Gott sich in Seiner Herrlichkeit und Macht zeigt, flößt das Furcht und Schrecken ein. Wir sind so im Irdischen verhaftet, dass wir Gott nicht sehen können, ohne zu sterben. Mose hatte große Sehnsucht, die Herrlichkeit Gottes zu schauen. Aber der Herr erfüllte ihm diesen Wunsch nicht: Du kannst mein Angesicht nicht schauen; denn kein Mensch kann mich schauen und am Leben bleiben (Ex 33,20).
So wie der einzelne Mensch können auch die Völker Gottes Gegenwart nicht ertragen. Die Angst einflößenden Bilder sind Ausdruck der Begegnung mit der Herrlichkeit Gottes, die wir nicht aushalten können. Gegenüber der Größe und Schönheit Gottes können wir nicht auf gleicher Augenhöhe sprechen. Dies ist nur möglich gegenüber dem menschgewordenen Sohn Gottes Jesus Christus, der der Sklave und Diener aller wurde. Seine Menschwerdung kann auch leider dazu verleiten, die Ehrfurcht gegenüber Gott zu vergessen.
Der Herrlichkeit Gottes kann der Mensch nur begegnen, wenn vorher alles Irdische weggenommen und zerstört wurde. Und gerade das flößt Angst ein. Aber das Ziel ist nicht die Angst, sondern die Begegnung mit dem Herrn.
Der Pfarrer von Ars nimmt uns die Angst vor dem Letzten Gericht. Für Christen, die in ihrem Leben auf die Barmherzigkeit und Liebe Gottes gebaut haben, wird der Herr nicht der strenge Richter sein. Sie werden ihrem Vater und Erlöser begegnen. Und dies ist ein Grund zu großer Freud, schon jetzt.
Am Beginn des neuen Kirchenjahres sind wir eingeladen, nicht nur auf das Kind in der Krippe zu Bethlehem vertieft und neu zu warten, sondern ebenso auf den Herrn in Herrlichkeit bei seiner Wiederkunft, in der Er uns liebevoll für immer in Seine Arme schließen will. Der Pfarrer von Ars erflehe uns in dieser Adventszeit die Freude auf die Begegnung mit dem Herrn.
24.10.2024 ih

° Aus: Jean-Marie Vianney, Pfarrer von Ars, hrsg. Bernard Nodet, 1959, S. 286